Volltext: Sirius : Monatsschrift für Literatur und Kunst (2)

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Die Köchin blieb mürrisch. Die Suppe war kalt. Aus dem 
Nebenzimmer quoll das aufreizend regelmässige Mittagsschnarchen 
des Vaters. Frank überkam das Gefühl eines unerklärlichen 
namenlos wehmütigen Ekels. Er musste aufhören zu essen. Er 
wollte seine Hündin Batry mit den verschmähten Speisen füttern 
und begann, nach ihr zu rufen. Sie war nicht da. Das nervöse 
Prickeln einer bösen Ahnung beschlich ihn. Er lärmte mit der 
Köchin. Die zuckte höhnisch die Achseln, biss die Zähne aufei 
nander und machte widerwärtige Lippen. Frank stiegen die 
Tränen auf. Er rang sie nieder. Er schrie vom Flur aus durchs 
ganze Haus nach Batry. Seine Stimme überschlug sich. Von 
irgendwoher echote Gelächter. 
Er raste hinunter und prallte vor der Mutter zurück, die 
wieder das Buch zuklappte und im Pult verschloss, verlegen 
blinzte, hysterisch tat, zu schimpfen begann. 
Vom Hof sickerten seltsame Geräusche: erstickte Schreie, 
Flamme, Angstrumoren, Vergewaltigung. Frank stürzte vors Tor. 
Ernst lehnte grinsend an der weissen Mauer im Sonnenschein, 
zeigte auf zwei ineinander verwebte Fliegen und flüsterte etwas, 
das Batry, die zwei Fliegen und die Mutter auf eine eigentüm 
liche Art in Zusammenhang brachte. Frank bekam wieder seine 
hilflosen Augen. Weinen bezwang ihn, unbewusst, lautlos. Dann 
drehte er sich brüsk um und sagte hart, gepresst: „Schwein 1“ 
Ernst lauerte. Fast war ein überlegenes Mitleid in seiner 
Stimme: „Haben wir nicht zusammen Photographien angeschaut? 
Hast du mir nicht solche Verse vorgelesen?“ 
Frank wurde starr. Seine Lider schlossen sich. Dann hob 
«r mit schwerer Gebärde die Faust und trieb sie ingrimmig, 
stumm, verbissen, mit nachtwandlerischer Treffsicherheit ein paar 
Mal hintereinander blitzschnell in Ernsts Fratze. 
Der schlug wie ein Stamm aufs Pflaster. 
Die Mutter hatte sich mit endgültiger Resolutheit in ihr 
Buch gerettet. 
Der Lärm der Hunde sprang Frank wie ein Wolf an den 
Hals. Sein hilfloser Blick umschleierte sich. Er wankte trunken. 
Sein Herz flog. Aufsässiges Schluchzen. 
Gäste warfen mit den Türen. Gläser polterten auf die 
Tische. Ein Phonograph zotete heiser. Bisweilen schwoll 
Wiehern an. 
Max Herrmann (Neisse). 
Christian Schad 
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Das Kunstwollen aller Zeiten steht zwischen zwei Pfeilern: 
seine Verkörperung stellt der Griechenplastik und dem Cinquecento
	        
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