Volltext: Sirius : Monatsschrift für Literatur und Kunst (4)

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— Je grösser der Mann ist, desto strafbarer ist er, wenn 
er die Fehler anderer ausplaudert, die er erkennt. Wenn Gott 
die Heimlichkeiten der Menschen bekannt machte, so könnte die 
Welt nicht bestehen. 
— Ein Gelübde zu tun, ist eine grössere Sünde, als es zu 
brechen. 
— Ich habe immer gefunden, die sogenannten schlechten 
Leute gewinnen, wenn man sie genauer kennen lernt, und die 
guten verlieren. 
— Manche Menschen äussern schon die Gabe, sich dumm 
zu stellen, ehe sie klug sind. Mädchen haben diese Gabe sehr oft. 
— Ich habe das schon oft bemerkt: die Leute von Profes 
sion wissen oft das Beste nicht. 
— Ich weiss, dass berühmte Schriftsteller, die aber im 
Grunde seichte Köpfe waren (was sich in Deutschland leicht 
beisammen findet), bei all ihrem Eigendünkel von den besten 
Köpfen, die ich befragen konnte, für seichte Köpfe gehalten 
worden sind. 
— Ich möchte was darum geben, genau zu wissen, für 
wen eigentlich die Taten getan worden sind, von denen man 
öffentlich sagt, sie wären für das Vaterland getan 
worden. 
Wenn Heiraten Frieden stiften können, so sollte man den 
Grossen die Vielweiberei erlauben. 
— Man will wissen, dass im ganzen Lande seit fünfhun 
dert Jahren niemand vor Freude gestorben ist. 
Georg Christoph Lichtenberg 
Bücherbesprechungen 
Jakob Wassermann: Das Gänsemännchen. (S. Fischer, Verlag, Berlin.) 
I. 
Zuvor eine kleine Ouvertüre. Nirgends bisher wurde klar genug be 
tont, welche Kluft zwischen der Prosadichtung unserer Tage und der vor 
etwa zehn Jahren liegt. Ich sage das umso sicherer und eindeutiger, als 
ich der letzte bin, der die Ahnen einfach verleugnen wollte. Steht nicht 
noch über Sternheim Büchners „Lenz“ als heimlich verheissender Bethlehem- 
Stern ? Kennzeichned bleibt für die radikale Umwälzung in der Hauptsache 
dieser Tempowechsel ohne Gleichen, dieses Flitzen durch die Hirne, Schein- 
werfermanöverieren über Sodom und Golgatha, dass uns heute schon eine 
Zola-Trilogie (rein formell) wie ein vorsintflutlich-schwerfälliges Untier er 
scheint. Und sind nicht sogar unsere Klassischen von 1900 bereits ein 
wenig infiziert ? Da ist etwa Wassermann, Jakob . . Blättern wir erst einen 
Augenblick in seinem „Alexander in Babylon“, von dem eine neubearbeitete 
Ausgabe erschien. Was kann im November 1915 noch an solch einem 
Historien-Schmöcker reizen ? Abgesehen von allerlei Stofflich-Aktuellem, das 
man insgeheim, für sich, voll Schmuggler-Freude unterlegt. „ . . ihre Rauheit 
war nicht kriegerisch, sondern glich der von Helfershelfern bei einer Schand
	        
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