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So wende dich auch auf den Bruder nicht,
Du strenges Antlitz, augenlos!
Ich sehe Tropfen, trüb und gross,
Entthränen deinen Augen, leer und ohne Licht.
Ich fühls: es weint kein Mensch allein.
Solang ein Herz noch klagt, kann ich nicht glücklich sein.
Und wen du triffst: es ist mein Los.
Leo Sternberg
Aphorismen
— Ich habe den Joung nie ganz lesen können, als es Mode
war, ihn zu lesen, und halte ihn noch jetzo für einen grossen
Mann, da es Mode ist, ihn zu tadeln.
—• Bei all meiner Bequemlichkeit bin ich doch immer in der
Kenntnis meiner selbst gewachsen, ohne eben die Kraft zu haben,
mich zu bessern.
— Ich bin mehrmals wegen begangener Fehler getadelt
worden, die meine Tadler nicht Kraft oder Witz genug hatten zu
begehen.
— Nichts schmerzt mich mehr bei all meinem Tun und
Lassen, als dass ich die Welt so anzusehen gezwungen werde
wie der gemeine Mann, da ich doch szientifisch weiss, dass er
sie falsch ansieht.
— Gerade wie in meinem Bibliothek-Zimmer sieht es in
meinem Kopfe aus. Ordnungsliebe muss dem Menschen früh
eingeprägt werden, sonst ist alles nichts.
— Ich habe mich zuweilen recht in mir selbst gefreut, wenn
Leute, die Menschenkenner und Weltweise sein wollen, über mich
geurteilt haben. Wie sehr sie sich irrten ! Der eine hielt mich
für weit besser, und der andere für weit schlimmer als ich war,
und das immer aus sehr feinen Gründen, wie er glaubte.
— Die grössten Denker, die mir vorgekommen sind, waren
gerade unter allen Gelehrten, die ich habe kennen gelernt, die,
welche am wenigsten gelesen hatten.
— Kluge Leute glauben zu machen, man sei, was man nicht
ist, ist in den meisten Fällen schwerer, als wirklich zu werden,
was man scheinen will.
— Ein Mädchen, das sich ihrem Freund nach Leib und Seele
entdeckt, entdeckt die Heimlichkeiten des ganzen weiblichen Ge
schlechts.
— Es gibt wirklich sehr viele Menschen, die bloss lesen,
damit sie nicht denken brauchen.