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seinem Paragraphen zn regieren“, dieser selbe hoch-
fahrenide Herrscher von Gottes Gnaden mnßte kaum
ein Jahr später, am 18. März 1848, von seinem Schloß
balkon herab verkünden lassen:
Der König will, dlaß Preßfreiheit herrsche;
der König will, daß der Landtag sofort berufen
werde;
(der König will, daß eine Konstitution auf der frei
sinnigsten Grundlage alle deutschen Lahde umfasse
usw. usw.
Sich hoch und heilig gegen jede Möglichkeit einer
Verfassung verschworen zu haben und dann Preußens
erster verfassungsgemäßer König zu werden: das war
das sonderbare Schicksal dieses preußischen Königs.
Der erste Eindruck, den die loSbrechenlde Revo
lution auf die Junker gemacht hatte, war der einer
unbegreiflichen Verblüffung. Da hatte man nun mit
soviel Zähigkeit und Erfolg jahrzehntelang an der
Wiederaufrichtung des Mittelalters gearbeitet und die
verruchten französischen Ideen scheinbar mit Stumpf
und Stiel ausgerottet, und nun wurde man so jäh
aus seinen Träumen auf gerüttelt! Auf einmal stand
der längst tot geglaubte Feind mit elementarer Ge
walt wieder auf: Das liberale Bürgertum schickte sich
an, im Lande der Gottesfurcht und frommen Sitten
mit den faulen Ideen des faulen Westens Ernst zu
machen. Die Tage der Heiligen und Ritter schienen
gezählt uüd der König schien ohnmächtig, die „Rasse,
die auf alle Arten meritiret hatte“, in der bisherigen
Weise zu „cons er viren“. Im ersten Gefühl der
Ohnmacht zogen sich die einen in untätigem Groll
zurück, andere suchten sich mit dem neuen Geist an-
zufreunden, um noch zu retten, was zu retten war.
Eine der Hauptforderungen der Revolution war die
Aufhebung der Fideikommisse. Das künstlich und
systematisch in Unwissenheit gehaltene Landvolk
Osteibiens, das zwar von der Bewegung ergriffen
worden war, sie aber nur im ganz materiellem Sinne
auffaßte, verstand darunter so etwas wie Aufteilung
und Gleichmachung; die Junker fühlten sich in ihrem
Besitztum bedroht.