Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Spruchorgan der Hofkamarilla wurde und die bis zra 
den Tagen des Herrn von Hammerstein (September 
1895) die Brut- und Geburtstätte der Berliner Hof- 
skanjdiale igelblieben ist. Wer Preußens wirkliche (das 
heißt nieht offiziell verfärbte) Geschichte studieren 
will, muß die „Kreuz-Zeitung“ studieren; sie ist länger 
als ein halbes Jahrhundert, die maßgebendste Ge 
schichtschreibung Preußens von, der Kehrseite her ge 
wesen; sie hat auch heute ihre Bolle noch nicht aus 
gespielt. Wenn ihr auch der Skandal Hammerstein 
arg geschadet hat und sie heute nicht mehr das aner 
kannte Organ der Hofpartei ist wie in den Tagen des 
seligen von Gerlach, so ist sie doch das maßgebende 
Sprachorgan der noch immer in Preußen maßgeben 
den Junkerpartei geblieben. 
„Sämtliche Könige sind unfähig zu regieren, wenn 
man sie nicht mehr für von Gottes Gnaden hält“, das 
war das Dogma der Junkerpartei, und der König hörte 
es nach der Bevolution noch lieber, als zuvor. Unter 
dieser Voraussetzung mußten die Beratungen des 
Frankfurter Parlaments zum Possenspiel werden. Des 
deutschen Volkes Kaiserkrone, die dem König von 
Preußen von diesem Parlament angetragen wurde, er 
schien denn auch den Junkern als „eine schmutzige, 
von Bevolutionären überreichte, unten wenigstens rot 
gefütterte Narrenkappe“, wie Herr von Gerlach das 
so elegant ansdrückte. Noch eleganter und kategori 
scher drückte sich Friedrich Wilhelm IV. selbst aus: 
er nannte die deutsche Kaiserkrone des Frankfurter 
Parlaments „eine Schandikrone“ und „ein Halsband 
des Leibeigenen im Dienste der Bevolution“. Es war 
den Junkern nicht schwer gefallen, dem König und 
seinem Anhang klarzumaohen, daß die große deutsch- 
nationale Bewegung und die Idee eines demokratischen 
deutschen Kaisertums nur das Werk weniger Fran 
zosen, Polen und (natürlich!) Juden war. Der damalige 
„Kreuz-Zeitungs“-Bedakteur Wagner bezeichnete in 
seinem Staats- und Gesellschaftslexikon die „Kaiser- 
macherei“ als „ein jüdisches Geschäft“. 
Nach der Knebelung der Bevolution und dieser 
gottesgnadentümeilnden Ablehnung der deutschen
	        
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