Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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geforderten (freilich nicht bezahlten) und vom Libe 
ralismus bekämpften starken Armee möglich war: 
Dann war das, wie Bismarck sehr richtig berechnete, 
nicht niur ein Schlag gegen die ganze lästige Idee des 
„Verfassungsrummels“, sondern die liberal-preußische 
Verfassungs'bewegung mußte schließlich auch (wenn 
Bismarcks Kriegspläne glückten), zuletzt ihrer eigenen 
Demütigung zu jubeln. Unld übrigens konnte ja die 
Form des Parlamentarismus dabei bestehen bleiben. 
Die Hauptsache war ja nicht die Beseitigung der 
parlamentarischen Form, sondern eben die Aus 
treibung jenes widersätzlichen Geistes, der den Jun 
kern soviel geheimes Grausen einflößte. 
Nachdem Bismarck diesen Plan gefaßt hatte, galt 
es nur noch, ihn den Junkern mundgerecht zu machen. 
Denn die Junker waren bis hierher niemals für eine 
markante Außenpolitik zu haben gewesen. Was man 
die „Schmach von Olmütz“ genannt hat, war ganz 
ausschließlich ihr Werk gewesen. Saßen doch in Wien 
und Petersiburg ihre zuverlässigsten Helfershelfer und 
Gesinnungsgenossen, mit denen sie, wie Olmütz klar 
bewiesen hatte, unter allen Umständen im Frieden zu 
leben wünschten. 
Bismarck war also zunächst genötigt, seine Politik 
gegen die Junker durchzusetzen. Diese Herren, die 
sich von j eher als die einzig en und allein maßgeb enden 
Patrioten in Deutschland aufspielen, sahen in Bis 
marcks Vorgehen gegen Oesterreich zunächst einen 
Abfall von ihren Prinzipien. Aber der Sieger schuldet 
niemand Rechenschaft; er knetet alle Prinzipien wie 
Wachs unld hat immer die Mehrheit. Folglich fielen 
nach Königgrätz die preußischen Nationalliberalen 
regelrecht um, das heißt, sie gaben (ganz wie die 
Sozialdemokraten im August 1914) ihre bisherige Oppo 
sition auf und wurden Regierungspartei. Bismarck 
behielt auf der ganzen Linie recht; die Junker, die all 
mählich zu begreifen begannen, um was es sich han 
delte, wurden seine lautesten Lobredner. Sie erwar 
teten von ihm, daß er die mit Siegen umnebelte und 
geknebelte bürgerliche Gesellschaft jetzt wieder wie 
ehedem zu Leibeigenen ihrer Feudalität mache.
	        
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