Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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seiner Opfer bringen wolle; die Instruktionen des 
Kaisers atmen den ungarfeindlichen Geist, den er von 
dem ermordeten Franz Ferdinand geerbt zu haben 
scheine. Er, Tisza, lege Czernin dringend nahe, wenn 
er auch weiterhin Ungarns Unterstützung haben wolle, 
sich über die Instruktionen des Kaisers hinwegzu 
setzen und die Grenzberichtigungen mit deutscher 
Hilfe in Bukarest durchzusetzen, da er sonst auf dem 
Rückweg Ungarn nicht wieder werlde passieren dürfen; 
eine Benachteiligung Ungarns könne zu einer Kata 
strophe führen. Für die Unterstützung Deutschlands 
werlde er, Tisza, in Berlin schon das Nötige ver 
anlassen. 
Für Czernin war diese Aufforderung Tiszas ein 
Befehl, in seinen Augen war Tisza mächtiger als 
Wien — und er gehorchte. 
Kühlmann war als erster in Bukarest eingetroffen. 
Der neue Ministerpräsident Marghiloman gab ihm in 
seinem Palais ein Diner. Zwei Tage später traf Czernin 
ein und MargMloman gab beiden Unterhändlern ein 
gemeinsames Diner. Hier nun, im tete-ä-tete mit Idem 
rumänischen Regierungschef, riiekte Czernin in Gegen 
wart Kühlmanns mit seinen Grenzberichtigungsforde 
rungen zugunsten Ungarns heraus. Er wurde dabei 
von seinem deutschen Kollegen, der ohne jeden Ge 
danken und Auftrag für eine rumänische Gebiets 
abtretung nach Bukarest gekommen war, gründlich 
unterstützt. Aber um welchen Preis! 
Hinter den Kulissen Budapest-Berlin hatte sich 
nämlich eine ganz eigenartige Staatsaktion abgespielt. 
Tisza, nach wie vor der Vertrauensmann Deutsch 
lands bei der verbündeten Donaumonarchie, hatte 
während Czernins Fahrt nach Bukarest alle Hebel in 
Berlin, das heißt, im Großen deutschen Hauptquartier, 
angesetzt, um für Kühlmann die strikte Order zur 
Unterstützung Czernins in der „Grenzberichtigungs 
frage“ durchzusetzen. Deutschland, anfangs wider 
strebend, willigte zuletzt ein. Aber es stellte seine 
Beidingungen, öder richtiger, nur eine, doch um so un 
erschütterlichere Bedingung: Czernin müsse nach 
seiner Rückkehr aus Bukarest in einer öffentlichen
	        
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