Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Rede in Wien, jetzt, beim Beginn der Offensive, neuer 
dings die Bündnistreue Oesterreich-Ungarns in einer 
Weise und mit einer Bestimmtheit proklamieren, die 
dem bockbeinig gewordenen Wiener Hof keinen Rück 
zug unid kein Ausweichen mehr möglich mache. Tisza 
verpflichtete sich hierzu ohne Zögern und ließ Czernin 
wissen, er möge eine solenne „Bündnisrede“ vor 
bereiten. 
Czernin gehorchte; er erpreßte Rumänien mit 
deutscher Unterstützung die traurig berühmt gewor 
denen „Grenzberiohtigungen“ zugunsten Ungarns und 
setzte seine Rede auf. 
Es steht fest, daß Czernins Rede von Anbeginn 
kein Wort von einem angeblichen Unterhändlungs- 
versuch Clemenoeaus (der nie existierte), noch irgend 
eine ähnliche Anspielung enthielt. Die nachmalige 
sogenannte „Enthüllung“ in Czernins Rede war Graf 
Stephan Tiszas eigenstes Werk. Der Vorgang war 
folgender gewesen; 
Bei der Nachricht von den Rumänien erpreßten 
Grenzberichtigungen geriet Kaiser Karl in größte Er 
regung, weil Graf Czernin entgegen den formellen In 
struktionen seines Monarchen gehandelt hatte. Zwi 
schen Kaiser und Minister erfolgte ein ziemlich „leb 
hafter“ Depeschenwechsel, der schließlich mit der 
dringenden Berufung Czernins zum Vortrag, soll 
heißen zur Aufklärung nach Wien endigte. Selbst 
verständlich hielt Czernin den Grafen Tisza über diese 
Vorgänge auf dem laufenden. Tisza befürchtete einen 
mehr als energischen Widerstand des Kaisers gegen 
die Grenzberiohtigungen, vielleicht gar eine Ablehnung 
oder einen Befehl zu neuen, mildern Verhandlungen, 
und so zögerte er nicht vor dem echt Tisizaischen infer 
nalischen Gedanken, Czernin als Werkzeug zu benüt 
zen, um, wie er sich ausdrückte, „dem jungen Herrn 
in Wien seine antimagyarischen Grillen auszutreiben“. 
Tisza, von dem eine hohe Dame kürzlich sagte, er 
besitze in jedem Korridor der Wiener Hofburg einen 
Spion, kannte genau so wie Czernin den Wortlaut des 
Kaiserbriefes an den Prinzen Sixtus. „Irgendwie“ war 
der Inhalt auch in seine Hände gekommen. Mit An
	        
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