Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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Frieden, wie schon der alte Kant erkannte, als er die 
„republikanische Staats Verfassung 1 “ als Friedensartikel 
postulierte und ganz ausdrücklich als Hauptkriterium 
des Republikanismus, wie er ihn verstand, das Recht 
des Volkes, über Krieg und Frieden zu entscheiden, 
hinstellte. 
Also hätte Kanonen-Heine recht gehabt? 
Im Prinzip: ja! 
In der Praxis: nein! 
Wir haben in der jüngsten Zeit idie Probe aufs 
Exempel machen können. Zwei und ein halbes Jahr 
hat die deutsche Sozialdemokratie Kriegskredite über 
Kriegskredite bewilligt, ohne daran zu denken, für die 
so überreichlich bewilligten Kanonen Volksrechte zu 
fordern. Erst die russische Revolution mußte kommen, 
damit die deutschen Sozis die Bitte um Volksrechte 
an ihre. Kanonenbewilligung hängten. Dazu, die Ka 
nonen von den Volksrechten abhängig zu machen, 
sind sie bis heute noch nicht gelangt. Ganz im Gegen 
teil: statt neue Volksrechte zu erkämpfen, haben sie 
alte Volksrechte mehr oder minder widerstandslos 
preisgegeben: Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit, Ver 
einsrecht Streikrecht sind bekanntlich suspendiert 
oder doch arg beschnitten, wenn auch nur „provi 
sorisch“. Das „Provisorium“ dauert etwas reichlich 
lange . . . 
Die theoretische Heine-Formel: „Volksrechte für 
Kanonen“ lautet also in der Praxis: Bewilligung der 
Kanonen und Preisgabe der Volksrechte. 
Wolf gang Heine ist ein zu kluger Mann, um nicht 
die Konsequenzen zu überschauen, zu denen seine For 
mulierung geführt hat. 
Er möchte gern den Konsequenzen entgehen: nach 
innen wie nach außen. Er möchte die Demokrati 
sierung im Innern und den Verständigungsfrieden 
nach der Sovjet-Formel: „Ohne Annexionen und ohne 
Entschädigungen“ nach außen. 
Denn Wolf gang Heine ist — wir lassen ihm die 
Gerechtigkeit widerfahren — kein Sozialimperialist. 
Er hat sich von den Gedankenverrenkungen eines 
Paul Lensch, von dem Annexionsgetratsche eines
	        
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