Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

die ethnischen Gruppen Osteuropas die sinnvollste 
Lösung aus den Wirren der einander dort bekämpfen 
den Stammesinteressen herbeiführen würde. Diese 
Interessenkämpfe sind überflüssig und belanglos; 
wesentlich wäre die gegenseitige Uebereinstimmung 
der Interessen. Was dem einen Volk nachteilig ist, 
muß auch allen anderen zum Schaden gereichen; und 
nichts kann für das eine wahrhaft förderlich sein, 
ohne die Wohlfahrt aller anderen günstig zu beein 
flussen. Auf dem Ausgleich und dem Ueb ere inkommen 
der Interessen beruht der Nationen künftiges Gedeihen; 
denn im Grunde gibt es nur ein allumfassendes Gut, 
ein Gemeinwohl, das alle in sich schließt und durch 
dringt. 
Der schweizerische Bundesstaat ist ein überzeugen 
der Beweis dafür, daß verschiedene Stämme und Kon 
fessionen in einer gemeinsamen und geliebten natio 
nalen Heimstatt vereinigt werden können. Ich bin 
geneigt, in der Schweiz den Mikrokosmos des künf 
tigen Europas — vielleicht den Mikrokosmos der Welt 
republik zu sehen. Die Schweiz ist in der Tat nicht 
für mich allein, sondern für kundigere Träumer als 
ich bin, das Vorbild der verbündeten Menschheit. 
Allerdings muß die Demokratisierung jetzt noch viel 
weiter gehen: die Schweiz hat das demokratische Ziel 
durchaus noch nicht erreicht. Sie ist der Pfad, der 
zu ihm hinführt; und wenn die Friedensstifter ihre 
Blicke fest auf einen Frieden richten, der dauernd 
und vollkommen sein soll, so werden sie einige von 
den kleineren osteuropäischen Staaten und nationalen 
Ueberbleibseln auf einen Weg hin weisen müssen, wie 
ihn die schweizerischen Kantone gegangen sind. 
Drei Föderativgruppen könnten so gebildet wer 
den: die erste bestehend aus Polen vereinigt mit 
Litauen, den Letten und andern unterdrückten und 
unglücklichen slawischen Stämmen. Sodann mögen 
die sich jetzt befehdenden Glieder der österreichischen 
Monarchie, von der jahrhundertalten Habsburger 
Herrschaft erlöst, sich zu einer größeren Schweiz zu 
sammenschließen, — so werden sie auch nicht mehr 
nach politischer Trennung verlangen. Der — von dem
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.