Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

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'erwachs enden ständigen Konflikte erreichten ihre 
größte Schärfe und in der Zaberner Angelegenheit 
ihren Höhepunkt gerade damals, als 'durch die Schaf 
fung des neuen Landtages mit allgemeinem Wahlrecht 
die Gesamtheit des Volkes Gelegenheit fand, ihren poli 
tischen Willen zu bekunden. Nichts beweist schlagen 
der als dies die Tatsache, daß die Abneigung gegen 
Neu-DeutscMland in der Gesamtheit des Volkes ihren 
Sitz hatte, :unid nicht etwa, wie man oft glauben machen 
will, bloß bei einigen „nationalistischen Hetzern“. 
Nun kam zu allem noch dieser Krieg, der plötzlich 
den Elsaß-Lothringern den preußisch-deutschen Mili 
tarismus in seiner ganzen Nacktheit vor Augen führte. 
War der 1 Elsäßer in Friedenszeiten oft geneigt ge 
wesen, politische Konflikte mit einem gewissen bissigen 
Humor auszutragen, so wurde ihm jetzt dafür mit 
furchtbarer Tragik von den Militärbehörden vergolten. 
Immer tiefer wurde der Graben, der Elsässisch und 
Deutsch im Reichsland schied, und ein- Geständnis von 
zwingender Wucht legten uns die 'letzten Reichstags- 
Verhandlungen mit dem Wort eines sozialistischen 
deutschen Abgeordneten dar: „Vier Fünftel der elsässi- 
schen Bevölkerung würden im Falle einer Volksab 
stimmung ihrem Wunsch, nach Frankreich zurückzu 
kehren, Ausdruck geben“! Wenn das ein deutscher 
Reichstagsabgeordneter sagt, so ist sicher die Wahr 
heit für Neudeutschland noch grausamer. 
So ist durch die ganze Geschichte des Landes seit 
seiner Annexion durch Deutschland erwiesen, daß sein 
natürlicher Platz nicht hier ist, und daß seiner Bevöl 
kerung, wie auch Frankreich gegenüber, durch den 
Gewaltakt des Frankfurter Friedens Vertrages Unrecht 
geschah. Soll wirklich Europa auf sittlicher Grundlage 
neu erstehen, dann muß zuerst dieses doppelte Unrecht 
wieder gut gemacht werden.
	        
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