Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

u 
69 
Helfer war, so ist es doch augenscheinlich, daß ein 
serbischer Offizier nicht mit dem serbischen Volke 
identisch ist, am allerwenigsten mit dem serbischen 
Staat. Ich kann nach hinzufügen, daß Tankositsch ein 
sehr eigenwilliger Offizier war, welcher dem Kriegs- 
ministerium viele Sorgen bereitete, und trotz seiner 
persönlichen Tapferkeit sollte er gerade damals in 
Ruhestand versetzt wenden. Die österreichische Ge 
sandtschaft in Belgrad war über die Persönlichkeit 
dieses Offiziers genau unterrichtet und sie kann, un 
möglich den Einfall gehabt haben, einen undiszipli 
nierten und durch Skandale berüchtigten subalternen 
Offizier mit dem offiziellen Serbien zu identifizieren! 
Als das österreichische Ultimatum der serbischen Re 
gierung überreicht war, wurde Tankositsch auf An 
ordnung der Regierung sofort verhaftet, damit seine 
Schuld untersucht und festgestellt werde. Mehr konnte 
Serbien nicht tun. Die serbische Regierung war auch 
bereit, andere eventuelle Komplizen der Attentäter 
verhaften' zu lassen, sobald seitens der österreichischen 
Regierung diesbezüglich ein in völkerrechtlich üblicher 
Form gefaßter und mit Beweisen versehener Antrag 
gestellt wurde. Ein solcher Antrag hlieh aus. Statt 
dessen kam die Kriegserklärung. 
Man weiß heute, daß es der österreichisch-ungari 
schen Regierung nicht an der Bestrafung der Atten 
täter lag. Die ersten Verhöre hatten nämlich sofort 
ergeben, daß das Attentat ausschließlich die Tat der 
bosnischen Serben war, daß es also von österreichisch* 
-ungarischen Untertanen als Protest gegen die Ver 
gewaltigung eines ganzen Volkes gedacht und aus 
geführt wurde. Wenn es sonach damals zu einem öf 
fentlichen Prozeß gekommen wäre, . so hätte ttäs zu 
einem neuen Skandal für die Monarchie geführt. Aus 
dem Buche Phäros-Kohler ersieht man, wie die jungen 
Aiigeklagten sich nicht fürchteten, bei geschlossenen 
Türen, in der Kaserne, bittere Wahrheiten über Oester 
reich-Ungarn zu sagen. Was sie erst in einer öffent 
lichen Verhandlung ausgesagt hätten, davon können 
die Ergebnisse der berüchtigten Agramer und Fried- 
jung-Prozesse eine Idee geben. Das hat die Wiener
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.