Volltext: Zeit-Echo (3(1917), August-September)

finden, zu bereuen und nicht schleunigst wieder friedlich zu sein. Sie sehnen 
sich, das Banner des Krieges sogleich als Fahne des Friedens wieder zu 
entrollen. Trotzdem glaube ich daran, es könnte gelingen, wenigstens den ersten 
Einzugstag zu einem erhabenen Tag der Warnung zu machen. Es könnte 
gelingen, das Gewissen dafür zu wecken, daß es nicht eine Gelegenheit 
der Begeisterung werde wie jener erste Tag des Krieges. Dies aber würde 
schon viel sein; denn er bliebe als ein Vorbild stehen, als ein Vorbild 
künftiger Gedenktage, die ihm bald mit Sicherheit folgen würden wie 
ihrem Führer, und die wir nicht wie Sedantage feiern, sondern die wir 
trauern. 
Für solche Wandlung des Einzugstages müßten alle diejenigen sorgen, 
deren kleines Land sich quer durch diese Kriegserde erstreckt, und die, 
entgeistert vom Beginn der Schandtaten, beseelt von neu nachwachsender 
Menschlichkeit, nicht sogleich wieder frech in die Sonne des Friedens 
starren können. 
Ihre Versammlungen, nicht in schwarz ausgeschlagenen Sälen, weil ihre 
Trauer dennoch dem Jtoichi und dem {Kampf um das Licht verwandt ist, 
würden wehender als Fahnen, — ihre Reden zueinander lauter als die aus 
gerichteten Musikwirbel sein: Daß sie die Wahrheit nicht übertönen wollen, 
macht ihre Stimme kräftiger als der Scheinjubel der Kriegsvergessenen ist. 
Denn — wer von einer Blume die grünen Blätter abreißt, daß sie voll 
Blüten wie eine Wüste voll Lampions dasteht, ein Gespenst, dessen Ur 
sprung man kaum noch sieht, ein illuminiertes Waisenhaus: tut etwas 
Ähnliches wie der Veranstalter eines Friedensfreudenfestes. Zu diesem 
Frieden — gehört der Krieg und darf nicht von ihm hinweggelogen 
werden. Es darf nicht aus künstlich reinem Gewissen mit einem Mal 
Jauchzen ausbrechen, als sei er der menschlichen Schöpferkraft entsprossen. 
Vom Kriege kam er! es ist nicht anders. Noch sind die Menschen nicht 
eindeutig Menschen, noch ist ihnen beides möglich, diese Erkenntnis werde 
ihnen nicht geschenkt. Von solchem Frieden darf das Kriegerische nicht 
abgetrennt und fortgedacht werden, — er ginge sonst am schnellsten ein. 
Aber Tage einer Trauer, die in die Gefährlichkeit unseres Innern hinein 
leuchtet; — Tage der Versammlung Körper an Körper, die einander 
gegenwärtig fühlen, vom Gedächtnis des Früheren aneinander hinbewegt, 
so daß schöpferisch die Funken einer menschlich kämpfenden Zukunft aus 
solcher Versammlung, aus ihrer Berührung, entspringen, in Kirchen viel 
leicht, quer durch alle anderen Glauben; — Tage des Bewußtseins, daß 
der Krieg nicht vergangen ist: können ihn vergänglich machen. 
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