Volltext: Zeit-Echo (3(1917), August-September)

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Theodor Bagger 
veröffentlichte im Zeit-Echo eine schöne Arbeit: „Das geistige Geschlecht“, 
Die gipfelt in den Worten: „Ich bin Geist und liebe!“ Und wer von uns 
ist, findet, dass solche Worte gar nicht oft genug und nicht eindringend 
genug gesagt werden können. (Darum erschienen sie hier.) Diese Arbeit steht 
jetzt in einem kleinen Buch Taggers „Das neue Geschlecht — Programm 
schrift gegen die Metapher“ (in diesen Tagen bei Verleger Heinrich Hochstim, 
Berlin, erschienen). Die Programmschrift gegen die Metapher, der Hauptteil 
der Broschüre, ist ausgezeichnet. Gegen das Bild, für die Tat. Gegen die 
Umschreibung für die Unmittelbarkeit. Gegen die Geistausbeuter für die 
Geistigen. Gegen die Halben, die Macht-, Erfolg-, Eigentumsmenschen für die 
Schöpfer. Gegen die Passiven und zuletzt für die Heiligen, Einfachen, Wirk 
lichen. — Das war gut und notwendig. Aber als dieses Buch kam, schrieb 
ich gerade gegen Tagger. Er [gibt eine Zeitschrift heraus, den „Marsyas“, 
deren Abonnement im Jahr sechshundert Mark kostet oder mehr, und 
die durch diesen Preis verdammt ist, auf den Tischen von Schiebergattinnen, 
verschwenderisch gewordenen Munitionsvorarbeitern und jungen Schlossherren 
zu liegen. Das ist scheussliche Gründerjahrpraxis unserer Zeit! 
Eine Frage: „Ich bin Geist“— heisst das: Redakteur des Marsyas? „Ich 
liebe“ — meine Leser? An der Spitze der Mitarbeiterliste, die anständige 
und üble Leute zeigt, steht der Dichter Hugo von Hofmannsthal, also ein 
Mann, der unbedenklichstes Kriegsfeuilleton geschmiert hat. Liebt der Geist 
auch ihn? 
Hier irrt Tagger. Seine Schriften sind zur Ausrottung dieser Dichters 
männer und dieser Leser bestimmt? Es ist zu scherzhaft, der Bibliophilie 
unter die Arme zu greifen, wenn man soeben Waffen zu ihrer Vernichtung 
verteilt. Ich halte mich an ihre Vernichtung. 
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habe ich Unrecht getan. Ich nannte ihn einen Beschreiber der Ereignisse. Aber 
seitdem hat er der Zeitschrift ,,Tablettes“ das Titelbild „Assez!“ gegeben, das 
Vorbild für alle Leser und Beschauer, laut und wild gegen den Krieg „Halt!“ 
zu schreien. Seitdem hat er in der Genfer Zeitung „La Feuille“ Tag um 
Tag eine Propagandazeichnung gegen den Krieg, gegen Gemeinheit, gegen 
Ungerechtigkeit, gegen Vergewaltigung. Für Menschlichkeit. Für Heilung und 
Aufrichtung. Tag um Tag eine aufopfernde Arbeit in zeichnerischen Flug 
blättern, die auf Kunstgeniessertum, Schönheitsgetue, Atelier-Parasitentum 
verzichten. 
Wer das macht, kommt nicht mehr zum Bildermalen, Dem ist klar, dass 
heute das im Atelier zusammengepinselte Tafelbild nur Kunstdienerschaft vor 
einer sublim angestachelten Kapitalistenzeit ist. Wer einst nur Maler war und 
seitdem Mensch geworden ist, der malt keine Bilder mehr, der wirft das 
Flugblatt unter das Volk. 
Und dieser Frans Masereel, glaube ich, ist ein Mensch.
	        
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