Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

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LUDWIG MEIDNER: 
NÄCHTE DES MALERS 
Gewimmel von Pariserblau auf blanken Kreidegründen/ zynisches, 
meckerndes Zinkgelb/ Weiß mit Elfenbeinschwarz: das Kolorit der 
alten Bettlägerigen/ Permanentgrün neben Zinnobergeschrei/ Umbra, 
helles Kadmium und feurig Ultramarin überhaupt muß das Da- 
sein von fetten, strotzenden Ölfarbentuben eingeengt sein. Man muß 
sich fest einschließen in vier aschengraue Atelierwände, vor großen 
Leinewänden herumturnen, einsam schimpfen, wütend sein, sich krat- 
zen und eine Donnerwetter-Palette in der Faust haben. 
Ich denke mir die großartigsten Dinge aus, apokalyptische Gewim- 
mel, hebräische Propheten und Massengrab-Halluzinationen — denn 
der Geist ist alles, die Natur kann mir gestohlen bleiben. Aber das 
genügt nicht: die ölstrotzenden Tuben sind fast noch wichtiger, weil 
die Farben mitmalen, miterfinden, mitfeiern. 
Ich stelle mich manchmal blöde und ausgeleert vor die Stalfelei und 
grinse in meine unrasierten, sommersprossigen Backen hinein / da hüpft 
aus den zähen Chrom-Fladen auf einmal ein Umriß heraus, das Zin 
nober fängt zu schreien an und eine wunderbare Wirrwarr-Welt baut 
Sich allmählich unter meinen Borstpinseln auf. 
Ja, Farben, Farben ohne Zahl! Ich werde in eine Öl färben fabrik 
einheiraten. Meine Frau wird mir je tausend Tuben Umbra, Ocker, 
Kobalt, Kremserweiß und Krapplack in die Ehe bringen. Meine Frau 
wird eine Eckige, Frenetische, Heiße sein. Sie soll meilenlange Arme 
haben, mich fest an sich wickeln. Wir wollen uns in die enge Bettstatt 
pferchen, Ida, und von gebrannter Umbra träumen. Deinen Kopf werde 
ich dir abbeißen und Fangeball spielen in meinen grellen, zügellosen 
Nächten. 
Ihr Winternächte! Inbrunst, Wildheit bis früh um sechs. Her mit 
dem schneeigen Flockenbogen. Mit zuckenden Fingern grab' ich den 
Zimmermannsblei tief in den Sdmee. Ja, ich bin ein strenger Zeichner.
	        
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