Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

122 
EDUARD BERNSTEIN <M. D. R.>: 
DER NATIONALE GEDANKE BEIM 
PHILOSOPHEN FICHTE UND BEI FERDI 
NAND LASSALLE. 
Aus einem Vortrag »Lassalle und die nationalen Fragen seiner Zeit«, 
gehalten in der Arbeiterbildungsschule zu Berlin am 31. August 1916. 
Im Jahre 1886, also ein Jahr nach Erscheinen seiner Schrift über den 
italienischen Krieg, veröffentlichte Lassalle eine Abhandlung, der er 
den Titel gab »Fichtes politisches Vermächtnis«. Es ist das eine Ar 
beit, in der er in Fichtes Hinterlassenschaft niedergelegte Entwürfe 
zu einer Arbeit über die Zukunft der Deutschen bekannt gibt, die der 
Philosoph Fichte amVorabcnd seinesTodeszu schreiben unternommen. 
Die Entwürfe finden sich in der Gesamtausgabe von Fichtes Werken, 
die Fichtes Sohn herausgegeben hat. Keiner hatte die Entwürfe ge 
lesen, alle möglichen aber über Fichtes Politik geschrieben. Lassalle 
nun zog sie in jener Abhandlung ans Licht und bemerkt in einem Brief 
an Marx darüber, die Arbeit müsse »wie ein Trompetenstoß« wirken, 
der zeige, daß in Deutschland »eine republikanische Partei noch lebt«. 
Er war, wie man weiß, ein sehr großer Verehrer des Philosophen 
Fichte. Aber dies nicht so sehr wegen dessen Erkenntnistheorie, als 
wegen seiner angewandten oder praktischen Philosophie und ins 
besondere seiner Pofitifi. Fichte ist neuerdings wieder sehr gefeiert 
worden, man hat aber ihn ebenso wie Lassalle grundfalsch als einen 
besonders nationalistisch gesinnten Denker hingestellt. In Wirklichkeit 
war grade Fichte durch und durch kosmopofitiscß gesinnt, er erkennt 
das nationale Wesen nur afs Teif des großen kosmopolitischen 
Wesens an. Hatte er doch im Jahre 1793, als ganz Deutsddand über 
die Französische Revolution, die es erst begrüßt hatte, nach der Hin 
richtung Ludwigs XVI. entsetzt war, eine Verteidigung dieser Revo 
lution geschrieben. Aber, wird man sagen, hat Fichte denn nicht 1807 
und 1808 in den Reden an die deutsche Nation zum Kampfe gegen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.