164
Er kannte den Mann — hatte ihn nie mit ihr gesehen, war ihm un«
bekannt, und stand doch unter einem Haustor, um ihm entgegenzu«
blicken, der Gestalt des Schicksals, um ihm nachzublicken, dem Gang
des Schicksals, unerbittlich wie es ging, und ganz fremd. Einmal aber
verließ er das Geschäft zu einer ungewohnten Zeit, ein hohes Fieber
nötigte ihn/ und zu Haus nahm er wahr, sie waren da. Er stand,
atmete nicht und hörte. Ein entzückter Klang drang hervor, und ja,
dieser Klang: Beatrix. Da ging er fort, fiebernd, aber seine schnellen
Pulse klopften wie ein Glück — ein Glück, sei es wie immer. Sie hatte
von dem, den sie liebte, genannt werden wollen wie von ihm! Wenn
sie sich von Liebe verklärt fühlte, ging sie in das Märchenwesen ein,
das sein, sein war. Er fühlte; Meine Schwester!
Tage zogen vorbei, da sie ihn wohl ganz vergessen hatte, und
Tage, an denen sie ihn nicht fortlassen wollte,- aber er wußte, wann
es aus Güte und ruhigem Sinn kam, und wann er sie retten sollte.
Er rettete sie nie,- sie mußte allein an sich tragen, er konnte ihr nur,
stumm und treu wie ein Hund, bedeuten, daß er Bescheid wisse um
ihre gekrampften Mienen, die Trennung hießen, bevorstehender Zu*>
sammenbruch, Angst des Endes, um ihr Umherirren und Seufzen,
worin schon neue Hoffnungen sich meldeten, ein anderer Mann, und
wieder Leichtsinn und wieder Schmerz, Ihm schien die Zeit stillzu^
stehen, in allem Hin und Her, das nur ablief und zu nichts führte,
und dem er beiwohnte in immer gleicher Demut und Ergriffenheit.
Dennoch erschien ein Abend — sie hatte ihn nicht fortgehen lassen
und war selbst nicht vorbereitet zum Ausgehen, setzte sich hin bei
ihm, fand keine Ruhe, hatte schon ihr Zimmer aufgesucht und kam
noch zurück. Er sah auf, erstaunt wie von jeher, wenn die Gunst
des Augenblicks ihm ihren Anblick schenkte. In ihrem Gesicht aber
entstand nichts von der kleinen Freude, die sein Staunen sonst ihr
schenkte. Seltsam, sie hatte ein Gesicht, als sähe sie, nun sie zu ihm
sprach, nicht sich, sondern wie vor Zeiten, wirklich ihn. Sie sagte;
»Hast du denn eigentlich nie daran gedacht, zu heiraten?« Er be*