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glühendes Volksgefühl, das alle Teile zu einem Ganzen vereinigen
würde. Wer anders als eine Schar erhabenster Dichter kann jene
Gefahr in Zukunft abwehren, diesen Mangel ausfüllen?« Nur ein
großes Volk, meint er, kann große Dichter haben/ aber vorher muß
die Poesie es sein, die das große Volk gestaltet, »künstlerischen
Charakter, Geistigkeit und Würde« ihm verleiht.
Der Dichter also, der Walt Whitman in seinem Gefühl von sich
selbst und seiner Aufgabe sein will, ist Priester, Prophet, Schöpfer,
Daß er außerordentliche Gewalt auf sein Volk und die geistige Macht
seines Volkes — und derer, die in fremden Völkern als einzelne zu
seinem Volk gehören —- ausgeübt hat und weiter übt, ist sicher. Wie
die Geschichte weiter geht, ob sein kühnstes Verkünden so Wirklich^
keit wird, wie Phantasie und Wollen sich irgend erfüllen können, indem
sie eine Wirklichkeit, die nicht genau gerade so aussieht, nämlich
schaffen helfen, das kann keiner heute sagen. Aber das ist gewiß, daß
er Amerikas größter Dichter und ein innig starker Lyriker für uns
alle ist/ und daß er der Lyrik eine neue Form und ein ungeheures
neues Stoffgebiet — alle Tatsächlichkeiten der körperlichen und geistigen
Welt — gegeben hat.
Icf)glau Be, ein Gras Bahn istnicBts Geringres, afs das Tag wer6 derSterne.
In diesem Sinne hat er sein erstes Gedichtbuch <1855) »Grashalme«
genannt und hat dann im Lauf von mehr als dreißig Jahren sein ganzes
dichterisches Werk in immer neuen Ausgaben in dieses Buch, sein
Buch, das er selbst ist, eingefügt.
Whitman, geboren am 31. Mai 1819 als Sohn eines Zimmermanns
und Hausbauers im Staate New York, hat einen typisch ameri
kanischen Lebenslauf gehabt, bis recht spät der Dichter aus ihm heraus^
brach: er besuchte die Volksschule, war eine Art Laufbursche erst
bei einem Rechtsanwalt, dann einem Arzt, wurde Setzerlehrling und,
im Alter von neunzehn Jahren, Dorfschullehrer. Dann gründet er
ein Wochenblatt, reist als Setzer und Journalist vielfach im Lande
hin und her und wird schließlich Zimmermann wie sein Vater in