Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

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Und eines Tages hatte er den Feind, der im Menschen selbst und 
nicht außer ihm ist, so scharf erkannt, daß seine Augen die eines schuld 
bewußten Mörders wurden. Da geschah es, daß Tränen wilden Zornes 
ihm hinter die Augen traten, wenn er ein Mädchen sah, das ihren 
Bräutigam, eine Frau, die ihren Mann, ein Elternpaar, das seinen 
Sohn verloren hatte und doch lächeln und wie immer das Glas Bier 
bestellen konnte. 
Einer Mutter, der ihre Stütze fürs Alter, ihre Hoffnung, der Zentral 
punkt all ihrer Liebe — ihr einziger Sohn zerstampft worden auf dem 
Felde der Ehre und die zu Robert sagte, jetzt muß man sich halt da 
mit abfinden, griff er wild an den Hals. Gott strich über des Kellners 
Hände und legte seine plötzlich von Liebe durchbebten Finger der 
Mutter sanft auf die Schulter. Denn nicht die Frau war schuld, nicht 
sie war der Feind und nicht ihre Worte, sondern das, was hinter den 
Worten stand. Und das war etwas, das nicht da war. Es war das 
Nichtvorhandensein der Liebe. 
Das selbstmörderische Schuldbewußtsein brannte die kleine Vater 
liebe weg, so daß das Urgefühl der großen Liebe aufstehen konnte 
in ihm. 
In tiefster Demut, in deren Mittelpunkt die unbesiegbare Kraft der 
Liebe stand, verrichtete er die Arbeit des Pikkolos, trug den Gästen 
Wasser zu, spülte Gläser aus, ging, als die Glocke ihn rief, in den 
großen Hotelsaal. 
Schlosser, Maurer, Schreiner, Spengler, Tapezierer, Glaser, zer- 
arbeitete Männer, die haarigen, abschreckend häßlichen Tieren mit 
Menschenaugen glichen, füllten den großen Hotelsaal; die Bauarbeiter 
vereinigung hielt ihre Jahresversammlung ab. 
Robert brachte dem Redner, der auf dem Podium stand, eine Flasche 
voll Wasser und hörte, ans Klavier gelehnt, hinter dem die Säbelchen 
und Schießgewehrchen steckten, dem Redner zu. 
Der erklärte, daß Unterstützungsgelder an arbeitslose und kranke 
Mitglieder dieses Jahr nicht ausbezahlt werden könnten. Denn es seien
	        
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