Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

7 5 
schreien, wenn ein Franzose fällt, lieben wir nicht. Solange wir nicht 
fühlen: ein Mensch, der uns nichts getan hat, fiel und starb, so lange 
sind wir Wahnsinnige. Denn dieser Mensch, der fiel und starb, hat 
eine Mutter, einen Vater, eine Frau, die vor Schmerz schreien. Ist 
ein Mensch. Wollte so gerne leben. Und mußte sterben. Wofür? 
Warum? Er mußte sterben, weil er nicht liebte. Und wir, seine Mörder, 
ließen ihn sterben, weil wir nicht liebten.« 
Robert machte während des Sprechens ganz kleine Bewegungen mit 
der Hand, daß die weiße Serviette baumelte. Es war so schwer, auch 
den anderen mitzuteilen, was man selbst fühlte und erkannt hatte. 
Und dabei war das Ganze doch so einfach, so selbstverständlich. 
Aber die Menschen hatten sich von der Selbstverständlichkeit weg* 
gestellt. Sie hatten die Liebe einfach vergessen, wie man seinen Schirm 
stehen läßt, 
»Man braucht ja nur zu lieben, dann fällt kein Schuß mehr. Dann 
ist der Friede da. Kinder sind wir dann auf unserer Erde... Der 
ganze Erdteil weint. Daran merkt man doch, daß der Erdteil fähig ist 
zur Liebe. Ganz hoffnungslos wäre erst dann alles, wenn Europa 
lachen würde, weil ganz Europa blutet. Aber es gibt kein Haus in 
Europa, in dem nicht die Tränen fließen. Das ist die Liebe, die aus 
den Menschenaugen heraus weint, weil sie vertrieben worden ist aus 
den Herzen der Menschen.« 
»Was tut ihr, wenn jetzt im Augenblick ein euch fremder Mensch 
in den Saal hereintritt und einem von euch, den er nie gesehen hat, 
das Bajonett in den Leib stößt? Ihr würdet den Wahnsinnigen nicht 
begreifen. Genau dasselbe tun eure Männer und Söhne/ auch sie 
stoßen Männern und Söhnen, die sie nie gesehen haben, das Bajonett 
in den Leib/ daß der Durchstoßene aufschreit, sich krümmt und fällt. 
Was hat er eurem Sohne getan?Und was hat euer Sohn dem getan, 
der ihm das Bajonett in den Leib stieß?... Habt ihr euch schon einmal 
vorgestellt, auf welche Weise euer junger Sohn, der so gerne, ach so 
gerne noch hätte leben mögen, sterben mußte?... Mädchen, vergegen*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.