Volltext: Die Bücherkiste : Monatsschrift für Literatur, Graphik und Buchbesprechung (2 (1920/1921), 5/6)

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M y n o 
na/Kaffee 
Nun überlegte sich der goldbraune Messias nicht mehr lange, an 
wen er sich zu wenden habe, sondern ging stracks und fast so gut 
wie stehenden Fußes zu Frau Neugedachter, einer vieleckigen und 
mannigfach erfahrenen Perlendreherin, verstehen Sie? Über Prome 
naden läßt sich streiten; sie führen zu nichts, und nachher entsteht 
Zank. Es handelte sich offenbar um Kaffee, der bekanntlich mittler 
weile sehr knapp geworden war. Elsie Neugedachter, blaues Perlen 
gehänge (selbst gedreht!) am Ohr, zerkaute eine Mokkakaffeebohne 
unermüdlich zwischen ihren Mausezähnen, und der Messias — ach 
ach ach! — atmete lang (wie der Taucher in Schillers Ballade) und 
atmete tief den aromatischen Hauch ein, der kräftig von ihren Lippen 
strömte, während sie ihm erklärte: und wenn Sie tausend und ein Mal 
der Messias und womöglich gar Exzellenz wären — schau’n Sie mich 
an, lieber Mensch, für mich bleiben Sie Na, unterbrach er 
sie sehnlich, kaffeedurstig, na was bleib ich denn? — Ein Mann, schrie 
sie herzzerreißend auf, ein Mann! Der Messias mochte ihr nicht gern 
unrecht geben; er war noch nicht lange Messias (erst auf dem letzten 
Kostümball hatten sie ihn dazu ernannt, weil er rote Wangen bekam, 
trotzdem in seinen Augen das Mitgefühl mit der haute volee thränte, 
und seine Beine einen schmachtenden Gang an sich hatten). 
Aus Frau Neugedachter (sie drehte ihre Perlen wirklich selbst; 
confer den Linsenschleifer Spinoza; auch jeder Hohenzoller lernt außer 
Mund- noch Handwerk) wurde der Messias nicht schlau. Daß er ein 
Mann war, stimmte; Beß Brenk behauptete sogar, er habe das mal 
geträumt. Aber was folgte daraus? Darüber dachte der Messias mit 
gefurchter Stirn (Sie wissen: so wie Eucken, wenn er über Montaigne 
redet und zwar von oben herab) langsam nach — sie meint doch nicht 
etwa . . . .? 
Und gerade das meinte sie. Aber man soll ihr auch nicht Un 
recht tun: ihr lag verzweifelt wenig an irgend welchem intim leiblichen 
Zusammenhang mit dem goldbraunen männlichen Geschöpf. Sie hatte 
nur mal irgendwo, wahrscheinlich von Friedrich Wolfgang von Goethe- 
Schiller, dem bekannten deutschen Doppelmenschen vor dem Weimarer 
Theaterreichstag, gehört, ein guter Mann werde durch ein Wort der 
Frauen weit geführt. Sie getraute sich, den unheimlichen Kaffeedurst 
des guten Jungen zu benutzen, um ihn noch weiter zu führen, die 
Schelmin. Sie hauchte ihm die würzigsten Duftwellen zu; da hing er 
an ihrem Munde, der die Form eines verrenkten Hufeisens, mit der
	        
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