Volltext: Veröffentlichung der November Gruppe (1(1921))

Gehirn oder in der Netzhaut. Aber dadurch versetzen sie sich erst recht in die Ver 
legenheit, Rechenschaft darüber abzulegen, auf welche Weise die Empfindung aus 
ihrem angeblichen Sitz nach aussen gelange. Sie nehmen einen Akt der „Verlegung“ 
an — das ist aber ein unvorstellbarer Veriegenheitsakt. Man denke! Ohne die ge 
ringste Empfindung einer Aussenwelt soll ich meine Empfindungen präzis in diese 
Aussenwelf „verlegen“? Eine Flamme im Hirn soll das Nefzhautbild in der Laterne 
des Auges vergrösserf nach aussen werfen. Da man aber gar kein Netzhautbild 
empfindet, behauptet man diesen Akt ohne die Möglichkeit seiner Kontrolle, daher 
unwissenschaftlich. Das Rätsel lautet aber gar nicht: Wie gelangt die Empfindung aus 
dem Hirne nach draussen; sondern: Wie erklärt es sich natürlich, dass die Empfindung 
faktisch draussen und nicht im Hirn (die optische nicht einmal im Leibe) stattfindet? 
Und dieses Rätsel hat Marcus wissenschaftlich zum ersten Maie gelöst. Er stellt 
fest, dass wir keine „verlegten“ Scheingebilde, sondern die Wirklichkeit selber sehen, 
also dass die Empfindung dort sitzt, wo wir sie wahrnehmen, und nicht erst „verlegt“ 
zu werden braucht. 
Seltsam, ja unmöglich scheint die Tatsache der ausserleiblichen Empfindung. Und 
doch streitet sie gar nicht mit der Tatsache, dass die ausserhalb des Leibes sitzende 
Empfindung nicht durch täuschende Verlegung, sondern wirklich selber vom Gehirn 
aus dorthin gelangt ist. Es eröffnet sidi hier die wunderbare Möglichkeit, dass Gehirn 
und Leib weiter reichen, als Schädelkapsel und Haut es uns verraten, dass sie über 
diese Grenzen hinaus zwar nicht fest, aber in einer ätherisch materiellen Weise sich 
erstrecken. Wird das feste Gehirn gereizt, so gerät das ätherische in Schwingungen, 
welche (wie Röntgenstrahlen) die Schädelwände durchbrechen und sich bis an die 
Sterne fortpflanzen. So sässe denn auch nach dieser Marcus'schen Auffassung die 
Empfindung im Gehirn, aber nicht im festen des Kopfes, sondern im ausserleiblich 
ätherischen. Ähnlich wie Newton die bis dahin nur irdische Schwerkraft im ganzen 
Welträume herrschen lässt, ähnlich verwandelt Marcus die Empfindung aus der nur 
leiblichen in etwas Weltweites und aus etwas nur Seelischem in Materie, die der 
physikalischen Erklärung unterliegt. 
Wir sehen nicht mit den Augen, sondern mit dem Gehirn. Der Sehnerv ist nur 
der Zuleiter zum Gehirn. Der Rückweg des Lichtes nadi draussen bedient sich nicht 
des zuleitenden Sehnervs: sonst müsste ja die gesehene Landschaft an der Bewegung 
des immer rollenden Auges teilhaben. Unmittelbar ergiesst sich auf äusseren Anlass 
das Lidif durch die Schädel wände. Gesetzlich, wie Wirkung der Gegenwirkung, ent 
spricht von aussen die Rückwirkung des Gehirns. Vergebens lässt der Theoretiker die 
Empfindung nicht am selben Orte wahrgenommen werden, wo sie liegt. Audi darf er 
das Gehirn, wenn es physikalisch zur Empfindung angereizt wird, nicht mit einer 
seelischen „Verlegung“ antworten lassen: auch diese Antwort muss physikalisch aus- 
fallen. Statt der „unbewussten“ Empfindung eines Netzhautbildes und der nur schein 
baren Existenz der ausserleiblichen optischen Gebilde hat Marcus die Grundfatsache 
der unmittelbaren Wahrnehmung des optisch Empfundenen an Ort und Stelle seiner 
bewussten Sichtbarkeit. Setzt sich das Gehirn nicht ätherisch in alle Räume hinaus 
fort, so kann die Empfindung ja nur gespenstisch krankhaft aus dem Hirn in die Welf 
entspringen; und nur eine echt materielle Schwingung kann sich aus dem Hirne nach 
außen bewegen, kein „verlegter“ Schein. 
Da, was niemand bestreifet, Empfindungen am Gehirne haften, so haften sie ent 
weder an seiner leiblich festen oder an seiner ausserleiblich ätherischen Materie. Im 
ersten Fall existiert die ausserleibliche Wahrnehmung nur als ein Spuk; und nur im 
zweiten, dem Marcusschen Fall, existiert sie unmittelbar wirklich. Eine dritte Mög 
lichkeit gibt es nicht. 
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