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fragt fein Seidentuch mit meterlangen gepflegten Fransen, und sie trägt es majestätisch,
wie eine deutsche Prinzessin eine dicke Haarunferlage unter der Tolle.
Und nun nodi etwas von Rom, der Stadt, die von den beiden Kindern gezeugt
wurde, welche von der Wölfin gesäugt wurden. Wenn dies nur mal nicht ein Irrtum
war — den zu lösen hat sich die moderne Wissenschaft zur Aufgabe gemacht
was sie aber besser bleiben lassen sollte, da sie mit dem taubenbewohnten Markus
platz eine verzweifelte Ähnlichkeit hat. Dies gehört aber eigentlich nicht hier her, was
beim Tiber durchaus der Fall ist, der in eine hohe Mauert gebettet fliesst, die so dick
ist wie das Fell der Deutschen; und hinein schaut die Engelsburg, und nicht weit davon
ist das kitschige Denkmal Vitforio Emanueles, welches hier gar arg stört, aber Berlin
komplett machen würde; weshalb ich es für eine Aufgabe der Dadaisten halte, es nach
dort zu überführen. Die Italiener aber können Siege feiern, dass sie vor lauter
Freude immer bunter werden, beinahe wie die gestreifte Schweizerwache am Vatikan;
und die Hahnenfedern spielen dann eine Rolle, die schillern wie die Intellektuellen
Deutschlands, übrigens an den Vatikan schmiegt sich geradezu unsittlich die Peters-
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kirdie — oder auch umgekehrt; doch die Mönche tragen noch immer keine amerikanischen
Anzüge. Am Monte Pincio steht die Agave, die sterben musste, weil sie geblühf
hatte. Die furchtbar elegante Römerin sah sie nicht, sie hatte hohe Stöckelschuhe an
und war sehr schön. Die Lieblingsfarbe dieser Romana bleibt bis auf weiteres orange,
dies steht ausser Diskussion, wie dass es in der Friedrichstrasse keine einzige
und so sieht man auch
aber diese Männer sind es
elegante Dame mehr gibt, weil die Valuta so sehr sank,
nurmehr in Italien Herrenschlipse von einer Schönheit
auch — verflucht! An der Tramway darf man aussen dranhängen, so viel man will,
und wohin der Schaffner nicht langt, braucht man nicht zu bezahlen; dies ist für die
römischen Kinder sehr praktisch, denen ja hier überhaupt die Nase hinlaufen darf,
wohin sie will. Denn wenn auch der Italiener ein sehr beweglicher Mann ist, so
bringt er doch meistens vor lauter Beweglichkeit nichts zustande; es geht ihm ähnlich,
wie der russischen Sowjetregierung, die, wenn sie auch bestrebt ist, das Beste wollend
zu probieren, um der Menschheit helfend mit humanistischem Wollen verbessernd
unter die Arme zu greifen bestrebend sich bemüht, doch noch nicht imstande war, die
Zigarettenstummel aus den Katakomben zu entfernen, die mich so sehr an das
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deutsche Vaterland erinnern, weillsie ebenso abgebrannt sind wie dieses. Zur Porta Pia
kommen herein blaurote Karren mit köstlichen Äpfeln; aber ein echter Alldeutscher
isst ja alle Südfrüchte nicht, weil es unpatriotisch ist, und wenn man für Rassereinheit
eintritt, so gibt es auch kein Fremdwort, und da Italien aus lauter Fremdworten
besteht, so ist es im Prinzip abzulehnen. Ich aber sage: Die Welt ist rund. Und so
lange nicht die Eskimos in Toskana hausen, wird es Chianti geben — weshalb ich
meinen Bericht unvermutet schliesse. Hanna Hoch