zur Fläche hat In dem Zweidimensionalen liegt das Wesentlichste der absoluten
Malerei, die zeitliche Abwicklung des Geschehens — Erlebnis. Die absolute Drei
dimensionalität aber liegt in der Dynamik der Farben. Nicht Sinnestäuschungen
durch lineare oder körperliche Perspektive ist räumliche Malerei, sondern Auswertung
der Farbendynamik. Farbentöne sind proportionierte
Lichtdimensionen. Das Licht
nidit nür zwei- oder dreidimensional, sondern vieldimensional-radial. Das Licht öffnet
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den Raum; es macht ihn objektiv.
Gestaltung körperlicher Form ist lediglich Mittel und Zweck der Bildhauerei,
körperliche Form ist die sichtbare Abgrenzung von Bewegungen der Masse — Materie.
In ihnen offenbaren sich die Energien, die die Materie im Raum treiben und hin-
Und her-, aUf- und abfluten. Es ist das Leben, das Sein und Werden, das aus der
Mannigfaltigkeit der Formen zu uns spricht. Aus der starren, harten Form des
kubisdten Kristalls spricht die Ruhe der konzentrierten Kraft — das Willensstärke
Verharren der Energien im eingenommenen Zustand. Dagegen kommt in den weichen
Formen des menschlichen und tierischen Organismus der Wechsel von starken mit
schwachen Energien — das Fliessen des Lebens zum Ausdrude. Starker Impuls treibt
gewölbte Formen, starre Beharrlichkeit formt sich in steifer Gradlinigkeif, ringende
Kraft wird von schwankenden Formen begrenzt. Das Spiel der Formen ist die
Physiognomie der Natur.
Ein Irrtum beliebt die Erstarrung der Energien harter, kubischer Körper als tote
zu bezeichnen und nur den schwächeren Energien organischer Körper allein Leben
zuzusprechen. Man sieht eben nicht den Körper als Abschluss einer Bewegung, sondern
als das Ding an sich und bezeichnet es als erledigte Tatsache mit dem Begriff; Kristall
oder Mensch usw. Daran liegt es, dass der akademische Künstler bei aller Weisheit
im menschlichen Körper, selbst in seiner hüllenlosesten Form nichts weiter als die
menschliche Figur — den Akt — sieht. Er sieht nicht die Nacktheit des Menschen, das
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innere Leben der Körperlichkeit. Bewegte Massen stehen im Raum, nicht schlechtweg der
Mensch. Nicht das Entdecken von Muskeln ist es, was in uns bei Befrachtung des
menschlichen Körpers die Wohlgefälligkeit erweckt, sondern die formalen Energie
begrenzungen — das Spiel der Formen. So naturwahr die Bildhauer der realistischen
Epoche den menschlichen Körper auch nachbilden wollten, vermochten sie doch nicht aktive
und passive Körperteile von einander zu unterscheiden. Sie vermochten nicht zu sehen,
Wie die Kraft der Energien die Formen wölben oder erstarren, wie versagende
Energien die Form zerfliessen lassen. Nicht zehn oder elf Finger oder Zehen machen
die Richtigkeit der Plastik aus, sondern die Körperlichkeit selbst: Leben, Bewegung
und gegenseitige Beziehungen der Massen. Während die Plastik die Bewegung des
positiven Volumens der Materie ist, ist die Architektur die Bewegung des negativen
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Raumes, des Hohlraumes. Bisher befasste sich die Architektur nur mit körperlichen
Dingen — Maferienkonsfrukfion — und umlagerte mit diesen tote Räume. Den Raum
mit dynamischem Leben zu erfüllen, ihm die rhythmischen Formen eines seelischen
Lebens zu geben, ist die Aufgabe der neuen Kunst. Frei, schöpferisch wie die Natur
selbst zu gestalten ist die Kunst, die wir unserer Zeit geben wollen, damit sie erfüllt
Wird von der Urschöpfung vergangener grosser Kunsfepochen.
Oswald Herzog