Zwei bisher unbekannte
Hauptwerke Alessandro Magnasco's
sind auf den vorangehenden Seiten wiedergegeben. Sie
befanden sich vor zwei Jahren in der Sammlung eines
bekannten Schweriner Kunstfreundes, nach dessen Tode
sie unerkannt und missachtet bei Seite gestellt wurden,
ein Schicksal, das die Bilder des Genueser Meisters nicht
nur einmal erfahren haben. Lebhaft denken wir an
unsere Zeit, wenn wir in der von Carlo Giuseppe Ratti
schon 1769 verfassten Lebensbeschreibung Magnascos
lesen, dass manche Unverständige seine Malweise
lächerlich fanden, weil sie glaubten, dass die ganze
Schönheit der Malerei in äusserlicher Glätte oder in einer
sklavischen Naturnachahmung bestände. Die hier abge
bildeten Werke Magnascos sind in seiner späteren und
reifsten Schaffenszeit enstanden. An Qualität sowohl als
an Grösse (0,78 : 1,04 m) sind sie neben seine be
deutendsten Schöpfungen figürlichen Inhalts (in denen er
überhaupt sein Bestes gab) zu stellen. Zur Kenntnis
Magnascos sind sie deshalb besonders wertvoll, weil sie
die Zahl der uns bekannten Vorwürfe seiner Bilder um
ein weiteres Sujet bereichern. In der durch Dr. Benno
Geigers unermüdliche Entdeckerarbeit ermöglichten
Magnasco-Ausstellung 1914, die zum ersten Male wieder
das eigenartige Schaffen dieses Malers offenbarte, befand
sich nur ein kleines Bild, das einen Harlekin und eine
Köchin (wahrscheinlich dieselbe Frau, die sich auf dem
Biide „Die Küche der Harlekins“ befindet) in zärtlicher
Umarmung darstellt. Benno Geiger bezeichnet es (Nr. 11
seines Magnasco-Katalogs, Verlag Paul Cassirer, Berlin)
als das erhaltene Original aus einer verschollenen bur
lesken Bilderserie, die angeblich das heroikomische Epos
la secchia rapita von Tassoni illustriert. Es ist zweifeb
los, dass die beiden jetzt wieder erkannten Bilder dieser
verschollenen Bilderserie angehören. Da ihr Format
ehemals oval war (die Ecken sind bei einer frühen
Rentoilierung ergänzt worden), liegt die Vermutung nahe,
dass Magnasco eine Reihe ovaler Bilder zu dem erwähnten
Epos gemalt hat, das kleine Bild dagegen während der
Bearbeitung des burlesken Themas aus einer gelegentlichen
Laune des Malers entstanden ist. — Magnascos Malerei
steht der unserer Zeit in vieler Hinsicht nahe. Seine
kühne ungezwungene Technik ist impressionistisch, aber
die Unumschränktheit, mit der er Menschen und Dinge
formt, steht ausschliesslich im Dienste eines starken Aus
drucks seiner seelischen Erregung. Oft fügt er seine
Gestalten in strenge Geometrie und erhöht damit das
Ekstatische ihrer Geste. Obwohl durchaus ein Maler des
Barock schreitet er seiner Zeit doch weit voraus durch
das unerhört Expressive seiner Formgebung. Klassizismus
und Naturalismus räumten seine Bilder aus dem Wege
und erst in unserer heutigen Geistesrichtung finden sie
die Voraussetzung zur Erkenntnis ihres Wertes.
Hans Siebert v. Heister
Soest, 23. X. 11.
— — Jetzt trat an mich die Frage heran, wohin nun.
Es fiel mir Worpswede ein, ich wandte mich an Sie, und
Sie nahmen mich dann auf. Sie führten mich nun
glücklicherweise sofort zu Rembrandt hin, und was ich
Ihnen dadurch, dass Sie mich mit diesem wunderbaren
Mann bekannt gemacht haben, verdanke, weiss ich sehr
wohl einzuschätzen. In Ihnen hatte ich nun eigentlich
den ersten Menschen gefunden, der wenigstens nicht den
Umstand, dass ich malte, lächerlich oder strafbar fand.
Sie waren ganz anders wie das Bild, welches ich von
einem Lehrer hatte. Ich hatte nie recht mit Menschen
verkehrt, eben weil ich mich immer in die Einsamkeit
zurückzog. Es war wohl schwer mit mir umzugehen,
desto liebenswürdiger war es von Ihnen, dass Sie mich
nicht einfach aufgaben, wie es manche andere getan haben
würden. — Sehen Sie, Sie waren der erste Mensch, zu
dem ich volles Vertrauen hatte.
Soest, 10. XL 1911.
Ich habe nun ganz vergessen, dass ich Ihnen
schreiben wollte, wie ich zu den Bildern in Berlin ge
kommen bin.*) Warum ich die grade so gemalt habe,
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*) Ausgestellt auf der Juryfreien.
wie sie nun mal sind, weiss ich nicht zu erklären. Ein
Instinkt, auf den ich mich immer verlassen kann, diktiert
mir das gewissermassen. Zuerst ist es mir ganz jämmerlich
zu Mute. Dann weiss ich, dass ich mir bald wieder ein
Bild leisten werde, welches sich wieder ganz von den
anderen unterscheidet. Dann kommt eine Zeit, in der
ich mir vorkomme wie ein gefüllter Schlauch der zum
Platzen voll ist, und eines Tages, ehe ich überhaupt selbst
weiss, wie es kam, ist ein Bild da. Als ich z. B. den
Holzfäller malte, brannte mir der Kopf, dann war meine
ganze Haut glühend heiss, sodass ich sie nicht an einen
kalten Gegenstand halten konnte, ohne heftigen Schmerz
zu empfinden. Dann hatte ich ein Gefühl, als ob mir
das Innerste nach aussen und das Äussere nach innen
gedreht würde und wieder umgekehrt. Dabei hatte ich
noch ein ganz sonderbares Gefühl, ich weiss nicht, wie
ich das bezeichnen soll. Glücksgefühl ist zu schal und
eckig, um das auszudrücken. So ist es mir bei meinen
letzten Bildern immer ergangen. Ich sage dies wohl-
weisslich niemand, denn sonst sagen die Leute mir immer,
ich wäre verrückt. —
Soest, 15. XI. 11.
Sonderbar ist es, dass es mir immer gottsjämmerlich
zu Mute ist, wenn ich Zeichnungen verschicke oder sie