Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

Rene Scföicfiefe • Aisse’ 
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vielen Stäben und Ringen und taten feierlich und immer kokett, als 
hielten sie, in verschiedenen Kommissionen, eine wichtige Beratung 
ab. Am Boden kauerten Verletzte, andere schaukelten mit einge- 
zogener Pfote auf den Ringen. Sie gaben sich die größte Mühe, 
wohlauf und keck zu erscheinen und wußten die schmerzhaften 
Zuckungen ihrer Flügel so zu deuten, als ob sie sich gar nicht an 
die Ruhe gewöhnen könnten und am liebsten gleich wieder den Ver^ 
stand verlören. Es kam vor, daß einige mit dem Leben auch die 
Fassung einbüßten und rücksichtslos auf den Rücken fielen . . . 
Als das Feuerwerk abgebrannt war, kam der Regent auf uns zu. 
»Chevalier,« rief er, »ich werde Sie an die Grenze schicken.« 
Aisse, die er dabei ansah, wurde weiß um die Augen. 
»Kind, wie können Sie mich für so grausam halten. Wenn er Sie 
heiratet, mache ich ihn zum Hauptmann in der Garde.« 
»Sie sind ein Volk von Wilden,« erwiderte sie matt, und der Regent 
ging lachend davon. Die schöne Türkin durfte sich viel herausnehmen! 
Bald darauf entstand Lärm, Frau von Ferriol wandte sich durch 
die nach dem Spielzimmer drängende Menge: 
»Sie schlagen sich im Spielzimmer«, sagte sie. »Der Graf von 
Charolais hat verloren . . . Das nennt man ein intimes Fest. Wir 
wollen nach Hause, — bevor es ihnen einfällt, sich über die Frauen 
herzumachen.« 
Im Spielzimmer sah ich, wie der Graf von Charolais seine Freunde 
von sich abschüttelte und mit geschwungenem Degen auf ein Kru 
zifix losstürmte, das über dem Kamin hing. 
»Nieder mit ihm!« brüllte er. »Nieder mit ihm . . .« 
★ 
In der Nacht bekam Aisse, ohne ersichtlichen Grund, einen hef 
tigen Fieberanfall. Der Arzt ließ sie zur Ader. Nun verfiel sie in 
einen Zustand vollkommener Erschöpfung, der lange anhielt. Als sie 
soweit hergestellt war, daß sie das Bett verlassen konnte, bat sie 
mich, sie fortzunehmen und in der Nähe von Paris zu verstecken, 
so daß es mir möglich wäre, meinen Dienst in den Gemächern der 
Regentin zu versehen und dennoch alle freien Stunden und die 
Nächte bei ihr zu verbringen.
	        
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