Gfossen
923
GLOSSEN
Lektüre.
1.
DER »PAN« IM KRIEG.
Der »Pan«, einst eine Halbmonatschrift,
von Wilhelm Herzog herausgegeben, führt,
seitdem sie Alfred Kerr gehört, ein ge»
spenstisches Dasein. »Der Pan«, heißt es
in der letzten, im April 1915 aufgetauch»
ten Nummer, »erscheint bei Lebzeiten des
Herausgebers immer. In selbgewählten
Zwischenräumen. Die drei noch fälligen
Nummern des jetzigen Bezuges folgen
binnen kurzem.«
Die Nummer, die diese Ankündigung
enthielt, kam am ersten April, mit einem
Umfang von dreißig Druckseiten, als Dop»
pelnummer. Trotzdem zweifle ich nicht,
daß Alfred Kerr sein Versprechen hält.
Es wird wieder einmal eine Doppelnum»
mer erscheinen. Sie wird wieder Beiträge
von Kerr enthalten, die wir längst kennen,
und außer diesen die Registratur aller
Ärgerlichkeiten, die er in der Zwischen»
zeit zu erdulden hatte, die genaue Stati»
stik aller Hiebe und Stiche, die er dafür
auszuteilen, die behördlichen Mitteilungen,
die er an seine Getreuen zu richten gut»
findet. Ich muß gleich hinzufügen, daß ich
mich zur besagten Gefolgschaft: zähle. Es
gibt nichts, was mich von meiner Ver»
ehrung für Kerr abbringen könnte. Ich
gehöre zu einer Generation, für die war
er das Licht, das in der Finsternis der
nachnaturalistischen Zeit leuchtete. Wir
sind im heutigen Dichtergeschlecht eine
ganze Reihe solcher Getreuen. Ich glaube
auch: für uns sind die aufrichtigsten Zeilen
geschrieben, die das letzte Heft des »Pan«
enthält . . . Soll ich sie aufzählen? Man
kann sie nachlesen, sie beginnen genau
auf der 41. Seite mit dem »Menschheits»
kind«.
Jedoch gibt es bis dahin ausschließlich
Variationen zu den länderüblichen Posau»
nenmotiven. Und Kerr kennt doch alle die
Völker, denen allen dasselbe vorgeredet
wird, kennt — obwohl er unwahrschein»
liehe Dinge darüber äußert — England, ich
glaube, er kennt sogar Grey selbst, und
wenn nicht, so hätte ihm jemand Zuver»
lässiges über den Mann sagen können.
Jedoch, auf Seite 38 ereignet sich fol»
gender Vorgang:
Wir lachen, wenn der Feind uns droht,
Mit Hungertod.
Uns nährt <und bläht) Kartoffelbrot.
Wir essen's, wir gedenken auch
Sir Edward Greys — mit manchem Hauch.
Der Donner rollt wie Sturm und See
Und grollt den Namen Edward Grey.
<Doch mancher Hauch sagt flüsternd still:
Churchill! Churchill!)
Jedoch zieht er vom Leder gegen Schlaik»
jer. Daß er, Alfred Kerr, kein Ästhet sei,
beweist er ihm. Noch früher stellt er fest,
daß in Berlin die Eroika sechsmal binnen
zwei Tagen, binnen zwei Tagen sechsmal,
gespielt worden sei. Und schreibt dazu:
»Beethoven versagt nicht«. <Er hätte so»
gar, nicht nur, weil er von der Eroika
sprach, bemerken dürfen: Diesmal, wo er