Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Gfossen 
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schon lange tot ist, dieses Mat versage 
selbst Beethoven nicht.) 
An die Spitze aber, an die Spitze seiner 
Prosa-Sammlung stellt er die Maxime: 
»Zum Burgfrieden. 
Aus dem Stall ist ein Bulle gebrochen. 
Soll man in diesem Augenblidc fragen, 
wer die Stalltür geöffnet hat? 
<Oder wer sie ungenügend verschloß?) 
Nein. Nicht fragen. Nicht rechten. Der 
Stier ist los. Unschädlich machen soll man 
ihn. 
Es ist auch nicht die Zeit, zu rufen: 
»Ich bin Mitglied des Tierschutzvereins.« 
<Ich bin Mitglied des Tierschutzvereins!)« 
So sprechen alle Doktores aller krieg 
führenden Völker. Darin weichen Wolff, 
Reuter, die Petersburger Telegraphen- 
Agentur, die Agenzia Stefani und Havas 
nicht im geringsten voneinander ab. Die 
Schulmeister ganz Europas können es ihren 
Kindern mit Kreide auf die große Tafel 
schreiben. Alle Kirchenkanzeln tragen das 
Gewicht dieser Worte. Alle. Jeder nimmt 
es auf mit seinem Stier. Nur: aus wel 
chem Stall der Bulle ausgebrochen, dar 
über scheint sich die Welt nicht verstän 
digen zu können. Es ist auch ganz gleich 
gültig ! Der Bulle ist gar nicht losgelassen! 
Er läuft am Halfter! Und die ihn führen, 
die hoffen, mit ihm zu pflügen. Gelingt 
es, so werden sie es halten, wie weiland 
Friedrich der Große, als er die Begründung 
seines Einfalls in Schlesien den hohen 
Rechtsgelehrten überließ. Gelingt es nicht, 
dann wird der Bulle in den Stall zurück- 
gebracht. Bis das Biest plötzlich wieder 
losbricht — sozusagen wie ein Erdbeben. 
{Immerhin wird man zugeben müssen: wie 
ein Erdbeben bei Reinhard — da doch 
nachweisbar Menschen, wenn auch Spezia 
listen es hersteilen.) Wird man dann fragen 
dürfen, wer die Stalltür geöffnet hat? oder 
wer sie ungenügend verschloß? Nein. Man 
wird nicht fragen. Nicht rechten. Der Stier 
wird los sein. Man wird ihn unschädlich 
machen müssen. Es wird wieder nicht die 
Zeit sein zu rufen: »Ich bin Mitglied des 
Tierschutzvereins.« Am allerwenigsten für 
solche, die Mitglieder des Tierschutzver- 
eins sind, am allerwenigsten für diese. 
Aus mancherlei Gründen. Nicht zuletzt, 
weil sie selbst den Bullen spielen, vor 
dem sie laut Statuten die Menschen be 
wahren sollten. 
Immerhin scheint mir der »Burgfriede« 
das beste zu sein, was die deutsche Poli 
tik seit Bismarck hervorgebracht hat. {Bis 
marck selbst mußte ohne ihn auskommen.) 
Er ist mehr, als ein Wort und eine Pa 
role. Er ist eine Geistesverfassung. Des 
halb, meinen viele Freunde des David- 
bündlers, sollte der »Pan« lieber schlafen, 
bis der Bulle wieder im Stall ist. 
2. 
THOMAS MANN. 
Thomas Mann gibt die drei Arbeiten, 
die er zu diesem Kriege verfaßt hat, in 
einem Bändchen der Fischerschen »Samm 
lung von Schriften zur Zeitgeschichte« her 
aus. Die zwei kürzeren, »Gedanken im 
Krieg« und ein Brief an ein schwedisches 
Tageblatt, erschienen in der »Neuen Rund 
schau«, die dritte, bei weitem wertvollere, 
»Friedrich und die große Koalition«, brachte 
der »Neue Merkur«. Die erste, im Sep 
tember geschrieben, legt den ausgebroche 
nen politischen Konflikt also dar, daß es 
sich, für das siegreich gegen Paris mar 
schierende Deutschland, um einen Kampf 
der Kultur gegen die Zivilisation handle. 
»Kultur ist Geschlossenheit, Stil, Form, 
Haltung, Gechmack, ist irgend eine ge 
wisse geistige Organisation der Weit, und
	        
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