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Gfossett
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Die elektrischen Wagen sind blau wie in
München. Am Stadthauskai ragen drei
große Uhrtürme mit goldenen Zifferblättern.
Brückenköpfe breit zwischen italienisch ge»
giebelten Häuserstaffagen. Singende Aale
und Wasserratten von der Limmat her.
Dahinter der See: Ein blaugrauer Sack.
Auf der Straße begibt sich: Die lar
moyante Musik der Heilsarmee. Vor der
Studenten »Wirtschaft »Zur Bollerei« aur
grobpflastrigem Platz stehen im Kreis fünf
Männer mit Blasinstrumenten. Hüte, Bagage
und Instrumentenkästen liegen geschichtet
inmitten des Kreises auf einem Haufen.
Frauen mit seltsamen Hüten und Brillen
<aus Bildern des Quentin Massys) singen
eine erbarmenswürdige Melodie vom ge»
kreuzigten Heiland. Auf dem Balkon der
»Bollerei« die Studenten: in langer Reihe
mit eckigen Köpfen und Quastenpfeifen.
Oder es findet, unter freiem Himmel,
eine Versammlung statt, auf dem Münster
platz. »Gegen den Hunger.« »Schweizer»
arbeiter, wach auf, bevor es zu spät ist!
Nieder mit der Heuchelei des Burgfriedens!
Es lebe der Klassenkampf!« Mit Trom
petenstoß wird die Versammlung eröffnet.
Auf einem Karren stehen die Redner. In
kleinen Trupps, die Internationale singend,
zerstreut sich die Schar der Protestler unterm
Gewitterregen.
Zürich ist die Stadt der Gesangvereine.
Vierstimmig, schippelig. »Alles wird sich
schon gestalten. Frühling wird es sicher
lich.« Gesellenhäuser heißen hier »Zur
Käshütte«, »Blaue Fahne«, »Zur Zimmer
leuten«. Auch wird viel trompetet, aus
sechsten Stockwerken heraus. Man tut et
was für die Lunge. Im Park, auf den Ter
rassen der großen Hotels, an Kiosken und
in den Separes der Kabarette: man spricht
viel Französisch, von Genf her. Scheintot
ist man versucht die Stadt zu nennen trotz
Sonne und Grobheit nach drei Tagen Auf
enthalt. Niemand führt Buch über Verbleib
und Schattierung geflüchteter Krimineller.
Cabaret Bonbonniere liegt im Mittel
punkte der Stadt, nahe dem Hauptbahn
hof. Cafe des Banques hat eine saftige Ka
pelle. Die Primgeige stammt aus Moabit,
das Cello aus Lyon. Der Flügelmann ist
Mexikaner. Im Kabarett tritt auf: Emmy
Hennings: Grüne Joppe, schwarze Satin
hosen, blonder Schopf.
Das Kabarett ist ein hübscher Raum, sehr
besucht. Violette und lila Ampeln in Pa
godenform. Höllenrote, entzückende kleine
Bühne. Italiener und Franzosen schmunzeln
beim Vortrag der »Beenekens«. <Sie sehen,
Romain Rolland, es bedarf nicht des esprit
religieux der Madame Dr. Elisabeth Rotten
noch des Appel humain samaritanisch ge
neigter Episkopaten.)
Die Zeit ist vorsichtig und langsam. Am
Predigerplatz, im kleinen Restaurant »Zum
weißen Schwänli«, geschähe auch Ihnen Ge
nugtuung, lieber R. H. Ich folge freund
licher Einladung eines Arztes. Und finde
ein stilles, entferntes Kolleg von viermal
sechs freien »Genossen« <oft sind es mehr,
oft weniger). Sie tagen einmal die Woche,
jeden Montag. Jemand verliest eine Dis
position der »Kampfesmittel des Arbeit
gebers«. Monsieur le directeur Dr. B. führt
den Diseurs, sachte und einfach, sicher und
prinzipiell. Zugegen sind Organisierte und
Nichtorganisierte, Propagandisten der Tat
und Sozialdemokraten, ein Kondukteur, ein
Metallarbeiter, die russ. Revolutionärin und
der sehr französisch orientierte Redakteur
des »Revoluzzer« {eines Blattes, das, nur
in der Schweiz, mit sehr direkt-indirekten
Mitteln den italienischen Arbeitern Ver
weigerung der Militärpflicht nahelegte).
»Sagen Sie uns, Genosse H., — Sie haben
da Sondererfahrung — was wissen Sie uns