Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Carl Stern beim • NapoCeon 
der letzten Wodien gesammelten Willen zu etwas gänzlich Neuem 
als ein Lichtmeer über sich fluten. An den Herd er glitt, schnitt, 
mischte, quirlte,- hob es in kleinster Kasserole nur eben ans Feuer, 
nahm's fort, als der erste Wrasem stieg, und mit vier Sprüngen die 
ganze Treppe nehmend, servierte er das Schüsselchen in seiner frü* 
hesten Hitze: Taubenpüree mit frischen Champignons. 
Sie kostete, murmelte, schluckte und schlug ein Paar kornblumen* 
blaue Augen lächelnd zu ihm auf. Er stürzte in die Küche zurück, 
setzte den Herd in größere Glut und ließ über eine Handvoll 
Spargelspitzen, die er den jüngsten Sprossen abgeschnitten, heißen 
Dampf schlagen, in dem er sie gar kochte. Im letzten Augenblick 
gab er eine Schwitze von Sahne und Sellerie über das Ganze. Als 
drittes und letztes Gericht bot er frische, geschälte Wallnüsse mit 
Himbeeren ä la creme. Dem Hündchen aber hatte er Trüffeln an 
die Kalbsmilch getan. 
Nun stand er unauffällig in der Nähe, sah, wie nach wenigen 
Bissen von jeder Platte schon die ganz sanfte Röte auf ihrer Haut 
lag, der Körper sich tiefer in die Kissen des Sofas drückte und aus 
ihrem Munde ein Fauchen, winzige Tropfen Feuchtigkeit aus den 
Augen kamen, ansagend, das zarte Leibchen ziehe hingegeben jetzt 
Kraft aus dem Genossenen. Keiner der Herren sprach in diesen 
Augenblicken, da auf dem Antlitz der Frau ein andächtiges Lächeln 
lag, mit ihr, als sei es ausgemacht. Zitternden Zwerchfells lachte Na* 
poleon, schütternden Leibes in heller Seligkeit für sich dazu, bis ihm 
die Augäpfel in Tränen schwammen. Er war mit ihm eins und lobte 
Gott in der Höhe. 
Die Begegnung wurde geänderten Lebens und neuer Ziele An* 
fang. Als er am gleichen Abend heimkehrend den kräftigen Leib 
Suzannes in den Bettkissen fand, schnitt er der Schlafenden eine an* 
gewiderte Grimasse. Wütend deckte er ein freiliegendes Rundteil 
von ihr zu, schloß die Augen und träumte in Wolken duftiger Seide 
und Band die behende Gestalt der Tänzerin. Vor seinem geistigen 
Auge prüfte er die schlanken Arme, eine schmale Hand, ihre ganze 
zierliche Erscheinung und stellte fest, wie wenig fleischliche Person 
die Begnadete sei, und wie geringer Kost sie bedürfe zu künstle* 
rischer Leistung, durch die sie eine Nation zum Entzücken hinriß.
	        
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