Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Carf Stern Heim • Napofeon 
durch einen einzigen Kulturbegriff, den er wie einen spitzen Pfeil 
dem Gegner in die Parade flitzte, diesen bis auf die Haut entlarven. 
Nun fing des Abends im Bett ein Gekicher an, das grausamer 
und schonungsloser war, als jenes einstige Lachen mit Valentine über 
Narrheiten einzelner Zeitgenossen vor dem Krieg. Hier fand Na* 
poleon eine ganze Welt närrisch,- ihren einzigen Ehrgeiz, Geldgewinn 
und Beurteilung des Menschen nach seiner Eignung dazu über das 
Maß abgeschmackt und kahl. Während seine Geschäfte noch gut 
gingen, sah er schon die Kluft sich auftun zwischen einer modernen, 
rein merkantilen Weltauffassung und dem eignen Universalismus. 
Mit Ergriffenheit spürte er, wie zum erstenmal er hier von Valenz 
tine sanft sich schied. Er wußte, auch für die schrecklich veränderte 
Welt hätte sie nur gutmütigen Spott gehabt, in ihm aber kam von 
Tag zu Tag stärkere Empörung herauf, die ihn schließlich völlig 
beherrschte. 
Ihm schien jetzt, die fröhliche Überlegenheit, die mit dem fort^ 
schreitenden Alter Valentines immer friedlicher und harmloser ge* 
worden war, hätte ihn schon in der letzten Zeit ihres Lebens gereizt. 
Hatte sie nicht schließlich, nachdem man sich gehörig ausgelacht, immer 
eine Entschuldigung, irgendeine Güte für den Verspotteten gehabt? 
Er war durchdrungen, sie würde es heute nicht anders machen, ja 
sie möchte zur Nachsicht noch viel geneigter sein, und zürnte ihr 
darum. Je mehr seine Abneigung gegen das Publikum wuchs, je 
hassenswerter ihm die Erscheinungen wurden, umso mehr schob er 
Valentine den unbeugsamen Willen zu, alles zu begreifen und zu 
vergeben. Es begann ein täglicher Kampf, unaufhörliche Auseinander^ 
Setzung mit der Welt einerseits und dem lebendigen Bild der ge* 
liebten Frau auf der anderen Seite, der ihn zermürbte und elend 
machte. Doch blieb allen Einwendungen gegenüber sein dumpfer 
Haß schließlich siegreich. Jahre hindurch hatte er nun nichts mehr 
von Freundlichkeiten und Lieblichkeiten des geselligen Lebens bei 
sich gesehen. Es war der Sinn für Blumen und brillante Über*' 
raschungen, Tollheiten und geistreich Unvorhergesehenes geschwunden,- 
nicht mehr gab es die über das Mannesbewußtsein als Spenderin 
alles Glücks erhöhte und angebetete Frau. Kein Lachen herrschte 
mehr und kein Verschwenden, nicht Laune und Überlegenheit. Wo*
	        
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