Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

Carf Sternheim • Napofeon 
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hin er hörte: Geschäfte. Ziffern, wohin er sah. Das Dach des Hauses 
schien auf ihn zu stürzen, als eines Tages ein Gast, kühl und korrekt, 
an dem er mit witziger Bemerkung sich gerieben, ihm ein Goldstück 
als Trinkgeld anbot. 
Da lief das bis zum Rand gefüllte Gefäß über. Von jenem Abend 
bis zum andern Morgen grub sich eine Falte zwischen seine Brauen, 
die Lippen preßten sich aufeinander. Er hatte fortan nicht nur keine 
Teilnahme für die gute Bedienung der Gäste, sondern genoß mit 
Schadenfreude ein Glück, sah er in irgendeinem Antlitz Enttäu 
schung über die angerichtete Speise. Schnell ward sein geänderter 
Sinn den Kellnern, Köchen offenbar. Sorgfalt und Gewissen floh. 
Immer häufiger gab es unzufriedene Gesichter der Essenden. Un^ 
bewegter Miene schlürfte der Wirt jedes Quentchen Wut, dessen 
Ausdruck er erhaschte, und berauschte sich daran. Ganz nach vorn 
wuchs sein Gesicht. Stechenden Blicks, geblähter Nase schnüffelte er 
sich in das Empfinden der neuen Welt,- trank, wie bitter es schmeckte, 
sie völlig aus und spürte zum anderen Male deutlicher und als Ent 
scheidung: in dreißig Millionen Narren besaß die Nation nur noch 
einen Sinn: das Geld, und jeder, dem der Erwerb wie immer ge- 
glückt war, war im eigenen und im allgemeinen Urteil Person. In 
Napoleons Auffassung aber war er ein Räuber, ein Scheusal, das die 
Anarchie der Vernunft während des Krieges benutzt hatte, den durch 
Überlegenheiten und Mühsale in Generationen erworbenen Familien 
besitz des Landes an irdischen und himmlischen Gütern zu zerstören. 
Es kamen die Häuptlinge der neuen Geldaristokratie zu ihm. Fett, 
frech und verlegen stümperten sie mit ihren Weibern Geselligkeit. 
In Napoleons Hirn stieg wie ein Bläschen zuerst der Gedanke 
an Gift, das ihnen zwischen die Speisen zu mischen sei. Bald machte 
er sich im Denken breiter, und endlich beherrschte er sein Trachten 
ganz. Von irgendwoher hatte er sich > das ansehnliche Quantum 
Arsenik verschafft, das ihm nun seit Tagen in der Tasche brannte: 
es wie ein harmloses Gewürz in die Teller zu streuen, abzuwarten, 
bis die Wirkung, die in den Eingeweiden wühlte, ins Auge brach. 
Glut stieg ihm ein über das andere Mal in die Haare, bis er fühlte, 
im nächsten Augenblick widerstände er dem ungeheueren Verlangen 
nicht mehr.
	        
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