Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

S. Triedfaender ■ Der Wagßafter der Welt 863 
sage nicht ja«, sondern ich sage das positive Gegenteil von Ja. »Ich 
sage nicht nein«, heißt noch lange nicht »ich sage ja«. Hier gibt es 
auch logisch noch die real dynamische Indifferenz. Diese Null ist 
immer noch dreideutig, sie besagt stumm genug: minus null, plus 
null, neutrum. Dieses letzte ist die totale Indifferenz, das Zentrum 
des logischen Richtungsunterschiedes, das magnetisch funktioniert. Die 
logische Aufhebung soll nach Kant überhaupt nichts sein, aber sie 
ist nur die Aufhebung des Gegensatzes, den sie setzt. 
Das »Überhaupt nichts« dagegen ist weiter nichts als der blinde 
Blick für das nißif neutrafe, für die »tausend Quellen neben dem 
Durstenden« in derjenigen Wüste, die der »umwölkte Blick« erst 
schafft. Das absolute Nichts müßte auch sich selbst vernichten — 
was dann? Das wäre die unbändigste Atfirmation von Ja und Nein. 
Das pure, krude Nichts, ohne Negation, ohne Position ist weiter 
nichts als Paralysierung der polaren Gegengewalten, die also vor^ 
handen aber nicht entschieden sind und plötzlich herausbrechen können. 
Vergebens strengt das Nichts sich an, was Andres zu sein als das 
Nichts des polaren Weltunterschiedes, d. i. aber dessen lebendige 
Identität und Personifikation, der Schöpfer aller Differenz. Vergebens 
wird man angestrengt sein, die selbständige Person anderweitig zu 
lokalisieren als illokal in diesem nihilistischen Sinne,- denn alles Lo^ 
kale ist wesentlich unterschieden, zu guter Letzt gar extrem. Person 
ist nirgends zu finden als im absolut Identischen, das absolut Iden^ 
tische nirgends als im lebendigen Nichts, in der Weh>Indifferenz. 
Man soll kopernikanischer verfahren als Kant, der den Zuschauer 
sich drehen ließ, um die Wandlungen in dessen Perspektive zu er^ 
klären,- kopernikanischer als Kopernikus, der seinen Fixstern schon 
in der Sonne fand, wie Kant den seinigen im Gesetz an sich, diesem 
Symptom so sehr des Instinkts für Person wie des Mangels an ihr. 
Man wird die zuschauende und handelnde Person in gleichschwe 
bender Ruhe belassen, ihr aber den anscheinend festen Grund und 
Boden der Erde ihrer vermeintlich selbsteigenen psychischen Diffe^ 
renzen unter den Füßen wegziehen und sie zwingen, das mit hellen 
Augen und geflügelt zu tun, was sie menschlich blindlings und 
kriechend vollzog: zu äquilibrieren, von ihrer Indifferenz aus polar 
zu differenzieren. Diese schöpferische Ruhe des »Zuschauers«, des
	        
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