886 S. Triedfaender • Der Wagßafter der Weft
Selbstbesinnung. Wer verlöre sidi leichter in eine seiner Gestalten
als Proteus? Wer wäre bedürftiger als er, sieb des Rüdeweges in
jedem Momente zu versichern?
Dies zu erfahren, ist weder schwer noch leicht, sondern gleich*
gewichtig, also gewichtlos. Man balanciere z. B. die eigene Eitelkeit,
strenge ihre Gegengewichte, Pole, Extreme an, um das Wunder
ihrer lebendigen Indifferenz im echten Innern zu erleben. Man schrecke
den trüben Mittelstand auf, in dem sich diese Extreme verschielen,
energiere den negativen Pol der Eitelkeit, ihr —oo, die monströse
Selbstverachtung, lerne das taedium sui bis auf den geifernden Grund
auskosten. Sodann provoziere man das Gegenteil, das + oc, die
extreme, sich übersteigernde Selbstvergötterung. Schließlich schütze
man die neutral erlebte Mitte reinst entschieden vor der Verzerrung
oder Zerquetschung durch diese Pole, diese Gezeiten,* man lehre sie,
regelmäßig mit ihnen zu atmen, und nur diese psychische Lungen*
gymnastik erlöst alle Eitelkeit von ihren Krämpfen und Katalepsien.
Diese reine Mitte, diese Ein* und Ausatmerin aller Differenzen ist
allzumenschlich korrumpiert. Statt ihrer polarisierenden Permanenz
findet sich Schwind* oder Existiersucht. Man versteht nicht nüchtern
und besonnen in sich selbst die Angel, die Schwebe, die amphibische
Indifferenz der Lebensregierung zu präzisieren. Man versteht sich
nicht auf die wahre Spannweite seiner Pole, seiner Flügel, weil man
die polarisierende Indifferenz persönlich vernachlässigt,* weil diese sich
allzumenschlich vor sich selber verleugnet, verhehlt. Extrem gegen
Extrem zu kontrebalancieren, ohne sich weder jenem noch diesem
anders hinzugeben als atmend, ist erst echte Lebendigkeit. Erst von
der allerreinsten persönlichen Indifferenz aus erlebt man diese ab*
solute Lebendigkeit der eigenen Extremisierung,* und wie man längst
von einer coincicfentia oppositorum gesprochen hat, so sollte man
sich ursprünglicher auf diese disexcidentia identitatis besinnen. Diese
reine Mitte zwischen Sterben <— <x>) gegen Werden <-f- °o> des eigenen
Lebens darf kein »trüber Gast«, kein juste milieu, keine blindlings
naturalisierte Allzumenschlichkeit bleiben, wenn die polare Zeitlichkeit
vom Wunder dieser lebendig indifferenten Ewigkeit restlos durch*
drungen werden soll. Die wahre Erhaltung der Welt des Lebens
steht nur auf dem Spiel dieser Balance, und die Präzision dieses