Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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STATT EINER AUTOBIOGRAPHIE 
<Auszüge aus einem Briefe) 
Ließer Herr Goftz! 
Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mir das nächste Heft des »Ararat«, widmen 
wollen,- um so höher muß ich diese Aufmerksamkeit schätzen, als sie gerade mit der Lösung 
unseres festen Geschäftsverhältnisses zusammentrifft. — — 
Was aber die Beisteuerung einer kleinen Selbstbiographie anlangt, so wollen Sie mich doch 
bitte entschuldigen. Wissen S 7 —- i 7 mog net! — Außer, daß ich in den Vereinigten Staaten im 
Jahre 1882 geboren bin, Maler geworden, und vorläufig noch lebe, wüßte ich wahrhaftig nicht, 
was von mir über mich zu sagen wäre. Die Ereignisse meines Lebens, innerliche wie äußerliche, 
möchte ich lieber als Privatangelegenheiten betrachten,- — für andere haben sie ja doch keine 
Bedeutung. Und übrigens kann sich jeder, wenn er es kann, aus meinen Bildern ein beliebiges 
Urteil über mich machen — und vielleicht auch aus den einigen beigelegten Aufzeichnungen, die 
Sie, wenn Sie wollen, abdrucken können. Mit Informationen aber kann ich leider nicht dienen. — 
Und da meine Büldung so dürftig ist, daß sie kaum ausreichen würde, einen angesehenen Münchner 
Zeitungskritiker für sein Handwerk auszurüsten, so bin ich auch nicht in der Lage, mit Autorität 
über Kunst, als solche, zu sprechen: — ich verstehe eben zu wenig davon und weiß nicht einmal 
über die letzten und vorletzten Kunsttheorien Bescheid — ahne aber, daß solche Leute, die sich 
stolz Kubisten, Futuristen oder Expressionisten nennen, es wohl sein mögen, aber nicht Künstler 
sind, und daß, wer ihnen schlicht ins Gesicht sagte, sie seien Würfler, Zukünftler oder Aus^ 
drüdkler, sich wahrscheinlich wegen Ehrenbeleidigung zu verantworten hätte. —- — Auch Ihre 
Bitte um eine kurze Skizze meiner Eindrücke »des gesamten Amerikanischen Kunstlebens« muß 
ich zu meinem wirklichen Bedauern abschlagen. Denn aus den langen, langen Monaten meines 
letzten Aufenthaltes in meiner Heimat ist mir eher ein Alpdruck als ein Eindruck geblieben,- und 
wenn es dort ein Kunstleben überhaupt gibt, so ist es sehr behutsam, und infolgedessen unbemerkt, 
an mir vorübergehuscht. Ich lebte ja dort die ganze Zeit annähernd so zurückgezogen wie eine 
Auster in ihrer Schale, nur, daß meine Empfindungen dabei weniger angenehm gewesen sein 
dürften als die der Auster, da diese bekanntlich keine hat. Also hätte es wenig Sinn, über meine 
amerikanischen Erlebnisse etwas zu schreiben. — — 
Seien Sie freundlichst gegrüßt 
von Ihrem 
Ascona, im Tessin, den 17. Oktober
	        
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