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Versicherungsgesellschaften an Gebühren entgehen
und daß Tausende von Angestellten wiederum brot*
los werden.
Aber wir haben es endgültig satt, auf der einen
Seite alle Lasten des Zusammenbruchs, die zu neun
Zehntel dem Handel auferlegt werden, zu tragen, auf
der andern Seite uns durch eine arterienverkalkte
Bürokratie die Möglichkeit nehmen zu lassen, unsere
Umsätze zu vermehren, den soliden Handel als kon
trollierbare Steuerquelle gesund zu machen und der
deutschen Kunst so zu dienen, wie es uns Erfahrung
und Gewissen vorschreibt. Der Herr Geheim-Rat und
Reichstagsabgeordnete Pfeiffer möge die Sorge für die
Wohlfahrt der jungen Künstler fürderhin allein tragen.
Das jüngste Tippfräulein im Finanzministerium hat
wohl schon die Leichtfertigkeit und Undurchführ=
barkeit des Erzbergerischen Steuerunsinns erkannt.
Man schaffe endlich Selbstverwaltungskörper eines
jeden Handelszweiges mit einem ständigen Berufs*
pariament und lege diesem von Staats wegen eine
Abgabe auf. Wie diese Abgabe aber einzubringen
ist, das überlasse man Fachmännern und nicht
Assessoren.
Ich lasse jetzt die Beschwerde im Wortlaut folgen
und werde im Januar*Heft des zweiten Jahrgangs
des »Ararat« berichten, ob auch diese wieder —' wie
die vielen vorangegangenen — nur in »wohlwollende
Erwägung« gezogen wurde. Hans Goltz.
An den Herrn Reichskunstwart
Reichsministerium des Innern.
Die Unterzeichneten erlauben sich, dem Herrn Reichs*
kunstwart eine Beschwerde zu unterbreiten, weil sie der
Meinung sind, daß durch die neue Zusatzbestimmung zum
Luxussteuergesetz (Änderungsentwurf, eingebracht von
Dr. Pfeiffer und Genossen in der Sitzung des Reichstags
vom 30. Juli 1920) eine schwere Schädigung ihres Standes
und zu gleicher Zeit eine große Benachteiligung der leben*
den deutschen Künstler entstanden ist.
Die Unterzeichneten machen darauf aufmerksam, daß,
falls das Gesetz bestehen bleibt und keine Änderung un=
mittelbar in Aussicht steht, sie entschlossen sind, die Ver*
anstaltung von Kunstausstellungen vom 1. Januar 1921
an einzustellen.
Eine eingehende Begründung des Gesuches liegt bei.
Der neue Zusatz zum Luxussteuergesetz besagt zwar,
daß der Verkauf von Werken der bildenden Kunst leben*
der deutscher Künstler von der Luxussteuer befreit ist,
falls diese Kunstwerke vom Käufer direkt im Atelier des
Künstlers erworben werden, daß aber an dieser Befreiung
nicht die Verkäufe von Kunstwerken teilhaben, die den
Künstlern gehören, wenn sie in einer Kunstausstellung,
bei einem Kunsthändler, durch einen Kommissionär oder
.sonst irgendwo außerhalb des Ateliers erfolgen.
Zunächst führen wir Beschwerde darüber, daß eine
solche Gesetzesbestimmung geschaffen werden konnte,
ohne daß vorher die Fachleute zu einer Beratung hinzu*
gezogen worden sind. Es entspricht nicht dem Wesen
eines demokratischen Staates und seiner Verfassung, daß
für eine ganze Gruppe arbeitender Menschen ein Gesetz
geschaffen wird, ohne daß sie vorher gehört werden. Es
drückt sich in der Art der Gesetzesschaffung eine unbe*
rechtigte und unerlaubte Verachtung unseres Standes aus,
gegen die wir uns mit tiefster Entrüstung wenden. Es
erscheint unstatthaft, daß ein Gesetz über die Theater*
Direktoren geschaffen wird, ohne daß vorher die Theater*
Direktoren wie die am Theater beschäftigten Künstler ge*
fragt werden. Es ist ebenso unstatthaft, daß eine Ge*
setzesbestimmung, die so tief in den Betrieb der Kunst*
ausstellungen eingreift, geschaffen wird, ohne daß vorher
die Ansicht der Kunst*Ausstellungsleiter gehört wird.
Soweit wir erfahren habep, ist niemand gefragt worden,
außer einigen Künstlern. In den folgenden Ausführungen
werden wir zu beweisen suchen, daß die Künstler, die ge*
fragt wurden, entweder nicht die Interessen aller Künstler
haben wahrnehmen wollen oder daß ihnen die Einsicht
über die Organisation der Verwertung von Kunstwerken
fehlt. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß viele Künstler,
und zwar gerade die bedeutendsten, durchaus nicht dafür
begabt sind, organisatorische Fragen klar zu durchschauen.
Der direkte Verkehr zwischen dem Kunstproduzenten
(dem Künstler) und dem Kunstkonsumenten (dem Sammler)
ist immer mehr eingeschränkt worden. Das liegt an der
gesamten ökonomischen Entwicklung unserer Zeit. Es
sind nicht mehr die Fürsten, wie zur Zeit der Renaissance,
es sind auch nicht mehr wenige reiche Bürger, die die Bilder
erwerben,- an ihre Stelle ist ein sehr großer Kreis von
Käufern getreten, die sich über das ganze Land verteilen.
Es ist auch nicht mehr so, daß ein schlesischer Käufer nur
Bilder kauft, die ein schlesischer Künstler gemalt hat —
diese lokale Tradition ist bis auf ein Minimum geschwun*
den — sondern der Sammler aus einer kleinen Stadt Posens
kauft ebenso wie der Sammler aus einer kleinen Stadt
Schwabens ein Bild eines norddeutschen oder süddeutschen
Künstlers. Die ganze Entwicklung der modernen Malerei,
die einen großen Teil der Künstler veranlaßt hat, auf dem
Lande zu leben, einen anderen Teil ins Ausland geführt
hat und den allergrößten Teil aller Künstler in gewisse
Kunstzentren zusammengedrängt hat, in denen der Künstler
die Anregung durch die Kameraden, die Anregung durch
die Museen, die Leichtigkeit des Modells und des Ateliers
fand, hat schließlich zu einer starken Trennung von Kunst*
Produzenten und Kunstkons umenten geführt. Als Ver*
mittlung blieb der Kunsthändler und vor allem die Kunst*
ausstellung.
Zunächst fanden in den Kunstzentren wie München,
Berlin, Düsseldorf, Ausstellungen statt, die vom Staat und
der Kommune gefördert wurden. Daneben aber entstanden
sehr bald in allen größeren Städten Deutschlands bis
hinunter zu den ganz kleinen Kunstvereinen oder