Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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Kunsthändlern, die sich der Aufgabe der Vertretung der 
lebenden Künstler widmeten. Wir haben heute in Deutsch» 
land hunderte von Stätten, an denen die Kunst der Leben« 
den gezeigt wird. — Diese Kunstausstellungen werden 
entweder von Kunstvereinen geleitet oder von Kunst« 
händlern. Welche Bedeutung diese Institutionen haben, 
brauchen wir wohl hier nicht auseinander zu setzen. 
Die Eintrittsgelder, die vom Publikum erhoben werden, 
sind minimal. Für viele Kategorien, wie Studenten, 
Kunstakademiker, Arbeiter u. dergl. existiert entweder 
die Erlaubnis des freien Eintritts oder außerordentliche 
Ermäßigung. Ein ungeheuer großer Teil des deutschen 
Volkes war dadurch im Stande, sich mit der lebenden 
Produktion bekannt zu machen <der Besucher einer solchen 
Kunstausstellung ist nicht beengt durch die Idee, daß er 
kaufen muß. Er tritt nicht als Käufer in einen Laden, 
in dem der Verkäufer auf ihn zugeht und ihn am ruhigen 
und unbeeinflußten Betrachten der Kunstwerke hindert. 
Er geht in eine solche Ausstellung wie in einen Vortrag.) 
Die Kunstvereine und die Kunsthändler, die diese Kunst« 
ausstellungen veranstalteten, haben stets ein so geringes 
Eintrittsgeld erhoben, daß sie nicht etwa davon ihren Be« 
trieb erhalten konnten. Sie lebten in Wirklichkeit davon, 
daß sie den Verkauf von Kunstwerken vermittelten und 
dafür eine Gebühr bezogen. Wenn diese Kunstausstel» 
lungen nicht existierten, so wäre die ganze ungeheure 
Masse des deutschen Volkes, die nicht imstande ist, Kunst« 
werke zu erwerben, von dem Genuß der lebenden Kunst 
und von ihrer Kenntnis völlig ausgeschlossen. Die einzige 
Kenntnis, die sie von den lebenden Künstlern haben 
könnte, müßte sie in den Museen erwerben. Es liegt aber 
im Wesen der Museen begründet, daß sie nur einen ganz 
kleinen Teil der lebendigen Produktion aufnehmen, niemals 
jedoch die heutige Kunst in ihrem ganzen Umfang zeigen 
können. Der ganze Kreis der Studierenden, der Gelehrten, 
der Arbeiter wäre ausgeschlossen von der Beteiligung am 
Kunstleben. 
Schon in letzter Zeit hatte sich ein bedenklicher Partiku« 
larismus im Ausstellungswesen bemerkbar gemacht, ent« 
schuldbar durch die ständig steigenden Schwierigkeiten 
und Kosten der Transporte, aber darum nicht minder un 
erfreulich. Jetzt nach der Neubestimmung wird niemand 
mehr den in wirtschaftlicher Hinsicht gänzlich zwecklos 
gewordenen Transport auf sich nehmen mögen, in Berlin 
werden nur noch Berliner Künstler, in München Münchener, 
in Düsseldorf und Köln Rheinländer zu sehen sein,- als 
Folge erscheint ein Züchten von Lokalgrößen, ein völliges 
Ausschalten der wertvollen künstlerischen Befruchtung des 
Nordens durch den Süden und Westen und umgekehrt. 
Von dem Schaden, der den kleinen Provinzialstädten er« 
wächst, die sich nach Kräften um künstlerische Anregung 
bemühen, die aber keine »eigenen Künstler« besitzen und 
auf Import angewiesen sind, ganz zu schweigen. 
Nach unserer Ansicht hätte der Gesetzgeber aus all 
diesen Gründen die Pflicht, die Kunstausstellungen in jeder 
Weise zu fördern. Er hätte die Pflicht, darauf hinzuweisen, 
daß nicht das Kunstwerk direkt vom Atelier in den Privat« 
raum des reichen Mannes verschwindet, sondern daß es 
durch die Kunstausstellungen geht, damit nicht ein Kunst« 
monopol für die Besitzenden geschaffen wird. 
Leider ist die Entwicklung der letzten Jahre diesen un= 
fruchtbaren Weg gegangen. 
Es war früher selbstverständlich, daß der Kunsthändler 
die Bilder, die ihm vom Künstler anvertraut waren und 
die er selbst verkauft hatte, in Ausstellungen zur allge« 
meinen Kenntnis des Publikums brachte. Die Erfahrung 
lehrte aber sehr bald, daß Bilder, die einen hohen Preis 
haben, sich in öffentlichen Ausstellungen schlecht verkaufen. 
Infolgedessen entwickelte-sich neben diesem Kunsthandel, 
der die moralische und ideelle Pflicht auf sich nahm, Ver« 
mittler zwischen der ganzen Welt der Kunstliebhaber — 
ob sie kaufen oder nicht kaufen — zu sein, eine andere 
Art von Kunsthandel. 
Wir haben schon vor dem Kriege erlebt, daß neben 
den großen Kunsthändlern, die sich ihrer ideellen Pflichten 
stets bewußt blieben, Kunsthändler entstanden, die prin« 
zipiell niemals ein Bild dem öffentlichen Anblick preis« 
gaben, sondern die von ihnen erworbenen Bilder in schwer 
zugänglichen Räumen versteckten, zu denen nur der rechte 
Kunde Zutritt hatte. Wir haben erlebt, daß gerade diese 
Kunsthändler größere Geschäfte machten, als diejenigen, 
die Ausstellungen veranstalteten, abgesehen davon, daß 
die Mühe und dieVerantwortung eines Kunstausstellungs« 
leiters die Vielfache ist. Es kann nicht im Interesse der 
Allgemeinheit sein, daß diese Entwicklung weiter fort» 
schreitet. Denn sie führt dazu, daß gerade die besten und 
bedeutensten Werke niemals ans Licht der Öffentlichkeit 
treten, sondern von einem Privatzimmer ins andere wandern, 
von wenigen gesehen und um ihre Wirkung gebracht. 
Jetzt kommt die Neuforderung des Luxussteuer=Gesetzes 
und macht die Veranstaltung von Ausstellungen unmög« 
lieh,- denn die Konsequenz dieses Gesetzes ist folgende: 
Veranstaltet ein Künstler bei einem Kunsthändler oder 
einem Kunstverein eine Ausstellung, so wird der Käufer 
sich sagen: wenn ich in dieser Kunstausstellung kaufe, so 
kaufe ich um 15% teurer, als wenn ich im Atelier selbst 
kaufe. Infolgedessen wird der Anreiz, in einer Kunst« 
ausstellung zu kaufen, vernichtet. Entweder wird der 
Käufer überhaupt nicht kaufen oder er wird sich nach der 
Ausstellung zu dem Künstler begeben und dort im Atelier 
kaufen, oder er wird die Umgehung versuchen und dies 
wird der häufigste Fall sein. Kauft er gar nicht oder kauft 
er erst nach Schluß der Ausstellung beim Künstler direkt, 
so ist die Veranstaltung der Ausstellung damit zwecklos 
geworden. Wie gesagt: der häufige Fall wird die Um« 
gehung sein. Der Käufer wird sich das Bild reservieren 
lassen, wird den notwendigen Besuch im Atelier des 
Künstlers machen und die Bezahlung erfolgt direkt an ihn,- 
der Künstler zahlt seine Ausstellungsprovision nachher 
an den Ausstellungsleiter. Dieses System bedeutet eine 
Degradation des Künstlers und des Käufers und des Kunst« 
ausstellungs»Leiters. Der ehrliche Kunsthändler wird diese
	        
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