BANALITÄTEN (4) “SSQ 
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Nicht alle Banalitäten' sind dadaistisch. Zunächst ist festzu 
stellen, daß es gleichgültig ist, ob der Schöpfer einer Banalität 
sie ursprünglich als banal gedacht hat oder nicht. Wenn Edschmidt 
erwähnt: ,,Junge Menschen gab cs zu jeder Zeit,“ so ist das, ob 
gewollt oder nicht, Herr Herr gibt mir Kraft, eine Banalität. Es 
ist auch so absolut unkünstlerisch, daß es eine Badaarbeit wäre, 
falls nicht Edschmidt bewußt etwas sehr Wichtiges hoch künstlerisch 
damit hätte ausdrücken wollen. Wenn ich es aber als dada erkenne, 
so ist es dada durch mich: i — dada. Und so geben uns die unge 
wollten konsequenten Banalitäten, durch Dadaisten erkannt und 
gewollt, eine sehr wertvolle rnterseheidungsmöglichkeit. Die 
Dadaisten schaffen dada, die Welt ist dada, und zwar i - dada. 
(Ver'gl. dadaholland in Merz 1.) Und so leben wir in einem i-dada- 
Zeitalter, das die Dadaisten in ein clada-Zeitalter verwandelt haben 
durch innere Konsequenz. Nicht alle Banalitäten sind dada 
complet, aber in jeder Banalität ist eine Menge dadai.stis.chen 
Blödseins versteckt. Ich habe Banalitäten vermerzt, d. h. ein 
Kunstwerk aus Gegenüberstellung und Wertung an sich banaler 
Sätze gemacht. Ich bin mir auch dessen bewußt, daß nicht alle 
angeführten Sätze Banalitäten sind. Der Leser mag selbst ent 
scheiden. Denn ,,es gibt eine Wesentlichkeit in uns, die grün zu 
explodieren vermag“. (Th. Däubler.) Ob „Herr, Herr, gib mir 
Kraft“ banal ist, wage ich bei der Menge des in diesem Satze auf 
gespeicherten Sprengstoffes nicht zu entscheiden, es wird wohl 
Expressionismus sein. Herr, Herr, gib mir deinen Sturm! Immerhin 
ist es ein direkter Befehl eines sich ohnmächtig fühlenden Menschen 
und wesentlich nicht anders, als ob ich sagte: „Frau Meier, Frau 
Meier, geben Sie mir ein zehntel Pfund Kaffee!“ Worauf Frau 
Meier möglicherweise grün explodiert. Und so hätten wir auch 
endlich den Expressionismus auf seine einfachste Formel gebracht: 
Geistiger Warenaustausch“, wobei der Geist darin besteht, daß 
man die Kraft nicht so leicht nachwiegen kann, wie den Kaffee. 
Dafür braucht sie, soweit es sich nicht um elektrische Energie 
handelt, nicht verzollt zu werden. „Der liebe Gott meint es so gut 
mit uns, er schenkt uns Hegen und Sonnenschein, daß was wächst.“ 
(Doris Thatje.) Willem, biste schon da? Ich gähne aus Interesse. 
Rrrrroin! 
„Aber an den angetanen.“ 
Ich bedaure, aber der Vers ist nicht von mir. 
Jetzt komme ich zu Tristan Tzara. Auf die Frage: „Quelle est 
l’attitude qui vous semblerait aujourd’hui la plus sympathique ?“ 
schreibt er im Journal du Peuplc: „Ah! Il-y-a un moyen tres 
subtil, meine en ecrivant, de detruire le goüt pour la littcrature, 
c’est en le combattant par ses propres moyens et dans ses f'ormules.“ 
Er unterscheidet dann sehr fein zwischen littcrature und poesie. 
Er will die ungeformte Literatur bekämpfen zugunsten der ge 
stalteten Poesie. Der beste Kampf gegen den schlechten Geschmack 
für die form- und gedankenlose Litteratur ist die I-BanaliLät. Sie 
zeigt dem Leser die unerhört schlechte Form: „Aber an den ange 
tanen“ oder den unerhört blöden Inhalt: „Wie manches ist ver 
gangen!“ (Platen.) Wer kann von mir verlangen, den folgenden 
Vers zu lesen, wenn ich den ersten verstehen will. Und wenn ich 
selbst lese: „Liebesdienst den Freund zu mahnen“, bin ich noch 
ebenso dumm. Wie manches wird vergehn! Wir Wissens, wir 
verlangen. Kein ewiges Bestehn. Preisfrage: Wer ist banaler, 
Platen oder Schneider: „Wenn sone Geige angewärmt is, denn 
gehtse besser“? Beide haben was Kluges sagen wollen. Immerhin 
sagt Schneider etwas Neues für Nicht-Geigenspieler, wenn auch 
in etwas langweiliger Form. Cet ete, les elephants porteront des 
moustaches, ET VOUS ? De pijpen der stoombooten zijn zwart. 
K. S.
	        
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