Volltext: 365 : aktivista folyóirat (10 (1925), 2/3)

Gebíete als gescheífert. ích empfinde solche Archítektur (z. B. 
römisch - renaissance, Jesuitenstil, Dóm S. Marco usw.) als 
Kitsch, als Versuche mit unzulanglichen Mitteln, die nur auf 
banaler Oberflache dér Sinnliehkeit stecken blieben. Architek- 
tonische Formengebung ist nicht geeignet zum Ausdruck des 
Sinnlichen. Das kann Plastik und Maierei besser. lhnen soll 
sie es überlassen. Priift mán genauer die Sinnliehkeit z. B. des 
Barock oder des Rokoko, so findet mán, dafi es auch hier 
(Kaisersaal SchloB Würzburg oder Klosterkirche Ottobeuren) 
die Plastik und die Maierei (die Farbe), die Trager des 
Sinnlichen sind, dafi aber auch in diesen Falién Plastik und 
Maierei im Zusammenwirken mit Archítektur auf dem Gebiet 
des Sinnlichen nur dekoratív auf dér Oberflache des Prunkenden 
bleibende Eindriicke von Freúderauschzustanden hervorrufen, die 
auch nicht entfernt an die die Seele aufreifiende und erfüllende 
Tiefe dér vergeistigten Sinnliehkeit einer friih-christlichen, 
romanischen oder gothischen Kirche heranreichen. (Appolinare 
san classe, San Vitale, Reichenau, Marienkirche Krakau, Dóm 
zu Nauenburg). Lie starke Kraft dér Sinnliehkeit in dér Farbe 
dér Glasfenster dér mittelalterlichen Kirchen, dér Mosaiken, dér 
byzantintech-frühchristlichen Maierei und Plastik, dér ranemischen 
und gothischen, auch dér agyptischen Tempel und dér Pyramiden, 
die höchsten geistig-sinnlichen Wirkungen — und auf die kommt 
es an sind auch auf dem Gebiet dér Maierei und Plastik 
nur da geschaffen worden, wo zugleich diese Trennung in dér 
Archítektur durchgeführt wurde (obengenannte Zeichen und 
Bauten, Agypten, frühchristliche Zeit, Mittelalter), und wir stehen 
jetzt wieder vor solch einer Zeit. Die Jahrhunderthalle soll sich 
einreihen in die Bauten, die darin voranmarschieren. Hierdachte 
ieh mir den starksten sinnlichen Ausdruck in die Farbigkeit und 
Linienführung dér Glasfenster in farbiger Plastik dér Zwickel 
und farbige Behandlung dér Decken usw. gelegt, um dann Vor- 
bereitung und Rahmen für die die höchsten geistig-sinnlichen 
Wirkungen im Menschen hervorzurufende KunstderTöne und dér 
Sprache, dér Musik und Dichtkunst, zu werden. Sind auf diesen 
Gebieten menschlich künstlerischen Ausdrucksvermögens nicht 
viel reichere, tiefere Entfallungsmöglichkeiten des Sinnlichen? 
Warum soll da die Archítektur et-was mitzumachen versuchen, das 
im Verhaltnis zu den anderen Künsten nur ein Pfuschen sein soll. 
Ihr sind doch andere wunderbar geistige Möglichkeiten gegeben, 
die nicht auf dem Gebiet des Sinnlichen Hegen, aber auch das 
Empfindungsleben zutiefst beriihren, die göttlich geistigen Ur- 
sprungs sind, da aus dem Kosmischen Kjrafte dér Wahrheit und 
Liebe iströmen. 
Für mich ist in dér Archítektur die Erfüllung des Zweckes 
oib Kult oder Bedürfnis von unantastbarer Heiligkeit. Deswegen 
wurde mir Licht bei den meisten Bauten zum gestaltenden 
Prinzip. Nach dem Zweck hat sich die Raumgestaltung zu voJi- 
ziehen. Im Mannigfaltigen dieser hat sich die Eríindung zu 
zeigen, nicht im Formalen. Das Formale hat sich als Emp fin- 
dung tragenden Ausdruck aus dem tektonisch-konstruktiv Ge- 
fundenen zu entwickeln, ohne daruit sagen zu wolíen, daB es 
nicht auch rückwirkend dieses gestalten kann! Hat es sogar zu 
tun. Aber nicht die E r findung, sondern die E mi p findung ist 
bei dieser Gestaltung die Leitende. Erst das macht das Werk 
zum Kunstwerk. Aber in unserer Zeit des Selbstzweckformalis- 
mus, dér Originalitatssucht im Formalen ist gröBere Strenge und 
Zurückhaltung erforderlich als zu Zeiten dér strengen Scheidung, 
die den geistigen Gehalt dér Welt als das Wesentliche und 
eigentliche Erkennen und Betonén, und dann auch von selbst 
ausdrücken. Deswegen soll te n wir uns heute lieber zu viel dem 
Ingenieur zuneigen, da wir doch' zu viel am Tapezierer kleben. 
Abhauen i n uns sollen wir allé „Verzierungen“, allén kaleidos- 
kopartigen, kunstgewerblichen Kleinkram. 
Dies Erkennen gehört für mich auch dem Licht, das die 
Welt zu durchfluten hat. Licht ist Erkennen dér Wahrheit, ist 
Weisheit. Und nun komimé ich zu dem Wichtigsten: zum 
Religiösen. 
Alles ÁuBere hat für mich nur Ausdruck des Innern zu 
sein, hat nicht Selbstberechtigung an sich. Ich sehe das Gött- 
liche (das Gute) im Zusammenhángeii, Zusammenwirken (einer 
für die anderen) dér Welt in Liebe nach einem Plán dér Weis 
heit und Wahrheit, das Luziferische, Teuflische (das Bőse) im 
Selbstgottwerdenwollen, im Aufsichalleinstellenwollen, für sich 
und das erweiterte Ich die Fainilie alléin arbeiten und wirken 
wollen, weil es dem göttlichen Gesetz dér Liebe widerspricht. 
Ich sehe in Gott, nach dér Lehre des groBen Mystikers Svenden- 
hurg, die Vereinigung von Wahrheit und Lieibe; aber die Liebe 
ist das GröBere. Ich sehe in Jesus Christus das Höchste Menscn- 
Fleisch gewordene Prinzip dér Vereinigung von Liebe und Wahr 
heit, von Gott. Im Erkennen und Durchdringen dér ganzen sinn 
lichen Welt durch Wahrheit und Liebe sehe ich das Ziel dér 
Vergeistigung des Menschen, dér Welt, die Auferstehung des 
iFleisches. Die sinnliche Welt nicht als Selbstzweck, sondern be- 
herrscht und durchdrungen vöm Geistigen (Liebe und Wahrheit) 
erhebt auch die Genüsse des Fleisches in Wonnespharen, von 
dérén Schönheit und Lusthöhe die Vergötterer dér Sinnenwelt 
des Ichs keine Ahnung habén. Darüber lieBe sich noch unendlich 
viel sagen. 
Ich sehe alsó nicht in einer Abwendung von dér Sinnen 
welt (Askese) geistige Entwicklung; im Gegenteil, ich sehe 
darin Enígeistigung dér Seele, Krankhaftes, sondern ich sehe aas 
Gesunde in dér Indienststellung dér Sinnenwelt;, in das Geistige. 
in dér Durchdringung dér Sinnenwelt durch das Geistige, den 
Weg zu Gott. Das Sehnen und Suchen nach dieser Erkenntnis 
hat mich auf Irrwegen des Lebens nie verlassen. Nachdem ich 
sie gefunden, glaube ich ín dieser Erkenntnis und im Gestalten 
des Lebens nach dieser Erkenntnis nicht nur für mich, sondern 
für jeden Menschen und die ganze Menschheit den Schlüssel 
zum Gittek gefunden zu habén. All dies, miéin innerliches Sehnen, 
Suchen, Irren und Finden von Gott (Liebe und Wahrheit als 
Trager dér Welt), dér Glauben an Gott, seine geistige Leitung 
dér Welt, an eine jenseitige, geistige Weiterentwicklung des 
Menschen wird natüriich auch in meinen Bauten als meine Reli- 
giositat enthalten sein, ist wohl das, was Sie als die ,,einfach 
groBe Melodie“ empfinden, „die an Hándel gemahnt“. Die Sonne 
ist Tragerin von Licht, und Sonne in dér auBeren Welt ein 
Symbol von Weisheit und Liebe. So wie die Sonne mit Licht 
und Wárme die Welt durchdringí und erhellt, so soll Liebe und 
Weisheit die Menschheit durchdringen, erhalten, höher führen. 
Wenn die Menschen die Wahrheit dieser Erkenntnis aus meinen 
Bauten herausfühlen werden, so habén diese ikren geistigen 
Zweck erfüllt. 
Max Berg 
Konstruktivismus und Dynamik 
Konstruktivismus ist die formale Ausdrucksweise körper- 
licher Starre nach logischen GesetzmaBigkeiten. Dynamik ist 
das Prinzip bewegter Ruhe in dér Übertragung von Raum auf 
Zeit, Flache auf Raum, Fláche auf Zeit. Dér Zusammenhang 
von Konstruktivismus und Dynamik ist nur durch Vitaiitat, 
Rotation und Mechanik lösbar. Sonst bleiben dér Raum, Flache, 
die Zeit pathetisch, bewegt erscheinend, so „als ob“. Die Ge- 
setzmaBigkeit von Raum, Flache, Zeit liegt begründet in ihrem 
gegenseitigen, zwingenden Verhaltnis. 
Die Elektromechanik Lissitzkys ist dér erste Schritt zűr 
Überwindung des tótén Raumes. Auch Táti in s Versuche 
(Denkmal dér 3. Internationale) müssen als Synthese dér drei 
Polaritaten an dieser Stelle genannt werden. Die Forderung 
welche Kurt Schwitters durch die „Merzbühne" stellt, ge 
hört in begrenzten Stellen ebenfalls hierher. 
Günter Hirschel-Protsch 
6EDICHT 
ich sitze verquer durch den raum 
baumloses astet und gilbt 
ich lasse den raum 
und schüttle den raum 
und bebe den raum 
und höhe den raum 
leere stöhnt 
leere weitet 
leere fruchtet 
Angst 
(Hispro) 
GEDICHT 
Dér Mond hangt wie eine Bühnendekoration am 
Hímmel 
Allé Menschen lachen aus Schmerz vor dér Ein- 
samkeit 
Mein weisser Hund küsst mich 
Ich winsle 
Gelb rollt mich die Erde zu 
(Hispro)
	        
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