Werktitel Beinahe alle Kunstwerke haben Titel. Diese Titel haben ver-
schiedene Funktionen. Einmal sind sie aus rein praktischen
Gründen entstanden, weil die Werke voneinander unterschieden
werden müssen; es sind dann Bezeichnungen, die etwas im Bilde
Typisches, doch ohne weiteres Erkennbares festhalten, zum
Beispiel „Zürichseelandschaft am Abend‘“ oder „Stilleben mit
roten Aepfeln“. Es mag auch ein Titel sein, wie zum Beispiel
„Sechs gleich lange Linien“, der etwas ım Bild nicht ohne
weiteres Feststellbares bezeichnet und damit den Betrachter
auf ein wesentliches Merkmal des Werkes hinweist. Eine weitere
Form des Titels drückt eine bestimmte Stimmung aus, oder der
Titel wird zu einer poetischen Zutat, einer begleitenden poeti-
schen Erfindung, wie wir ihr in der neueren Kunst öfter be-
gegnen. Schließlich werden Werke als „Konstruktion‘, „Kom-
position‘‘, „Konkretion‘ und ähnlich bezeichnet, Titel, die auf
die Entstehungsmethode der Werke hinweisen.
Aber über alle diese Fragen hinaus spielt der Titel für: die
eigentliche Wirkung des Kunstwerkes keine Rolle oder doch
eine sehr nebensächliche, denn das Werk muß für sich allein
sprechen.
Begrif;2: Wenn wir uns über irgend eine Erscheinung unterhalten wol-
len, so ist die Voraussetzung dafür, daß wir dieselbe Sprache
sprechen. Aber auch innerhalb ein- und derselben Sprache
gibt es Verschiebungen und sind Mißverständnisse möglich,
dann, wenn verschiedene Beteiligte verschiedene Auffassungen
haben von bestimmten Worten und Begriffen, dann, wenn sich
Wort und die damit bezeichnete Sache nicht decken. Ganz
besonders gefährlich ist es nun, sich über Fragen der Philoso-
phie, der Kunst, der Weltanschauungen zu unterhalten, wenn
man von verschiedenen Begriffsdefinitionen ausgeht. Denken
wir nur an die unterschiedlichen Interpretationen der Begriffe
„Freiheit“, „Demokratie“ oder „Geist‘“; so ist es nicht ver-
wunderlich, daß Begriffe in der Kunst, die weit weniger lebens-
wichtig erscheinen für den Weiterbestand einer gesitteten
Gesellschaft, auch weniger in ihrer präzisen Definition bekannt
sind, und daß Konfusionen kaum zu umgehen sind wenn Un-
befugte, in Dingen der gedanklichen Präzision nicht Geübte
sich einmischen, oder solche die eine „andere“ Sprache sprechen.
Es handelt sich also auch hier darum, Begriffe so anzuwenden
wie sie durch die Jahrhunderte bis zum heutigen Tage geformt
wurden.
Vor einigen Jahren hat es viel Staub aufgewirbelt, als wir
wieder einmal mit Nachdruck darauf hinwiesen, daß ein grund-
sätzlicher Unterschied bestehe zwischen dem, was man abstrakte