und schneidet als Umriß aus der leeren Fläche Körper
heraus; und höhlt, wenn sie scheinbar von uns weg,
in das Bild hinein strebt, als Linearperspektive, ohne Licht
und Schatten, die Fläche zu Raum und Tiefe. Sie ist eine
geheimnisvolle und vielleicht unheimliche Abstraktion.
Heinrich Wölfflin bestätigt, daß die Menschen und Gegen=
stände unserer Welt nicht von Drähten eingefaßt seien, wie
die Linien sie zeichnen. Nichts trennt sie für unsere Augen,
wie die Linien in der Zeichnung sie trennen. Die Linie
ist eine vom Menschen nie gesehene, aber von ihm doch
geschaffene Absrenzung von Gegenständen, die in der
«Wirklichkeit» erst aus eisener Bewegung (der Gegen=
stände), oder, mit Änderung unseres Blickpunktes, wenn
wir uns bewegen, sich vor einander verschieben, sich von
einander trennen.
Auch wo eine rein weiße und eine tief schwarze Fläche —
das weiße und das schwarze Nichts — in gleicher Ebene
an einander stoßen, sich in einander verzahnen, emp=-
finden wir die Berührungsstrecke als gleitende Linie, troß=
dem eine solche gezeichnet nicht vorhanden ist. Wo wäre
sie zu Hause? Im Weiß? Im Schwarz? Sie steckt in beiden,
doch ohne eigene Gestalt, hat keinen Leib.
Die schwarz auf weiß oder weiß auf schwarz von Men=
schenhand gezeichnete Linie jedoch schafft Form und Raum.
Auch wenn sie — schwarz —, rechts neben sich und links
neben sich weiße Fläche hat, oder — weiß —, zwischen
schwarz und schwarz steht, so steht, was sie im Umriß
einfängt, näher bei uns und fällt das «außen» zurück.
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