Volltext: Ausstellung "Graphisches Kabinett"

Das Graphische Kabinett 
ist eine Vereinigung von Künstlern der ganzen Schweiz, die die 
Förderung und Entwicklung der freien graphischen Kunst pflegt. 
Wohl kein anderes: Erzeugnis wie das graphische Blatt — der 
Holzschnitt, die Radierung, die Lithographie, die Zeichnung — gibt 
einen so tiefen Einblick in den Schaffensprozeß und die Intentionen 
des bildenden Künstlers. Vor allem die Handzeichnung, aber auch 
die Lithographie und die Radierung, geben die feinsten Regungen 
der Hand und der Empfindungsmöglichkeit wieder und wer im gra= 
phischen Strich, in der Skizze, in der unmittelbaren Festlegung eines 
Eindrucks zu lesen weiß, wirft oft einen tiefern Blick in das Schaffen 
des Künstlers, als das Bild ihm gestattet. Während im Bild der 
Gestaltungsprozeß fast immer wieder überdeckt wird, um die 
Einheit von Innen und Außen, die Spannung zwischen dem Schaf>= 
fenden und der Gegebenheit der Natur zu erreichen, stellt das 
graphische Blatt eher die nackte Sensibilität des Schaffenden dar. 
Und diese Unmittelbarkeit ist eines der hauptsächlichsten Kriterien 
in der Beurteilung praphischer Werke. Damit ist aber nur der eine 
Teil der vielen graphischen Möglichkeiten erfaßt. Neben dem Maler, 
der gelegentlich auch graphisch tätig ist — die Handzeichnung als 
selbstverständliches Instrument des Malers vorausgesetzt — haben 
bedeutende Künstler ihr stärkstes Ausdrucksmittel in der Graphik 
gefunden. Bei ihnen ist das graphische Blatt nicht nur eine ihre Kunst 
begleitende weitere Möglichkeit ihres Ausdrucks, sondern Endzweck 
ihres Schaffens und gerade sie bereichern das Bild schweizerischer 
Kunst nach der Seite des Linearen, das seit Niklaus Manuel, Urs 
Graf bis Hodler und in unsere Tage eine besondere Stärke und 
Eigenart schweizerischen und allemannischen Kunstschaffens ist. 
Da die Zeichnung als die Grundlage der Malerei gilt, wird sie — 
und mit ihr die Graphik im allgemeinen — nur zu oft als eine 
Vorstufe der Kunst betrachtet, während sie in Wirklichkeit voll= 
ständig autonom neben der Malerei ihre Daseinsberechtigung durch 
die ganze Geschichte der Kunst erwiesen hat. Alle großen Maler 
sind auch große Zeichner gewesen und ihr graphisches Werk steht 
selbstherrlich neben dem malerischen. 
Der Kunstfreund findet daher gerade in der Graphik eine Möglich» 
keit, für wenig Geld eine stets gegenwärtige, lebendige Beziehung 
zum Kunstschaffen seiner Zeit zu unterhalten, an Hand seiner 
graphischen Blätter zu jeder Stunde in Zwiesprache mit schöpferischen 
Menschen zu sein, die immer die Versinnbildlichung der Freuden 
und Nöte ihrer Epoche und somit unserer eigenen seelischen und 
geistigen Haltung sind, Walter Kern 
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