1904, den «Gelben Mädchen» von 1905, der zweiten «Mutter im Löwen-
zahn», ist die Nähe des gleichzeitigen Hodler unvereinbar. Es ist, wie wenn
Amiet in hartem Entschluß sorgsam gespeichertes Können opferte, der
meisterliche Zeichner den Anschein nicht scheue, nie zeichnen gelernt zu
haben, ganz anders und von vorn anfange, oder auf früher schon vor-
handene, seiner Natur gemäße Anfänge sich zurückbesinne. Oder wie
wenn Amiet und Hodler parallel, doch in umgekehrter Richtung schrei-
tend — Amiet von der Zeichnung zur Malerei, Hodler von seinen weich
malerischen Jugendwerken zu immer strengerer zeichnerischer Abstrak-
tion —, zwischen Abstieg und Aufstieg bei kurzer Begegnung im Talgrund
sich grüßen, um sich für immer zu trennen. In epischer. Vereinfachung
hört man bei Führungen im Zürcher Kunsthaus dies gelegentlich so:
Hodler scheidet jedes Ding vom andern, adelt es durch die Kraft und
Schönheit seiner Linie; koloriert den Umriß mit vereinfachten Eigen-
färben der Dinge, modelliert sie wie ein Bildhauer und sucht als Höchstes
die Komposition; Amiet geht aus vom Farbfleck, kommt aber, wenn er
die richtige Farbe am richtigen Ort in der richtigen Ausdehnung und Be-
grenzung anbringt, damit auch wieder zu, freilich mit andern Mitteln und
in anderer Weise wirkender Zeichnung und Komposition.
Der Versuch, die beiden, wie man heute schreibt, auf einen gemein-
samen Nenner zu bringen, ist mißglückt. Die Kritik muß sich damit ab-
finden, daß über dem Bruchstrich Amiet als Amiet und Hodler als
Hodler gleichviel zählen.
In die kraftvolle, selbständige und selbstbewußte Entfaltung eines
Malers von Figuren, Gärten und Landschaften tritt mit dem zweiten Jahr-
zehnt des neuen Jahrhunderts eine Aufgabe, von der vielleicht Amiet
weiß, ob sie im Endergebnis für seine Entwicklung Beschleunigung und
Stärkung, oder Erschwerung und Umweg heißen muß. Wand an Wand mit
einem großen dekorativen Bild von Hodler oblag ihm die Ausmalung
eines ganzen Raumes, der sogenannten Loggia, im Zürcher Kunsthaus. Viel
Neues gab es da zu bedenken und zu wägen. Das auf sich selbst gestellte
Tafelbild hat Freiheiten, wo das Wandbild mannigfach verpflichtet ist.
Dieses ist in seiner Gebundenheit an die Fläche, die es nicht zerstören,
sondern bestätigen und beleben soll, gebunden auch an den ganzen Raum
in Farbe und Maß; sodann muß ein derartiger Schmuck auch einen
gedanklichen Inhalt verklären, der mit der Bestimmung des Raumes und
des ihn umhüllenden Baues in deutlicher Beziehung stel...
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