Volltext: Marianne von Werefkin 1860-1938, Ottilie W. Roederstein 1859-1937, Hans Brühlmann 1878-1911

der Bildkomposition einführen, dessen Bewußtsein und Kenntnis in Stutt- 
gart bisher fehle. Hölzel, in der eigenen Anwendung seiner Lehre wenig 
glücklich, hilft nicht nur Brühlmann. Mit ihm wird Stuttgart zum neuen 
Herd und Ausgangspunkt der vorübergehend verlorenen und vergessenen 
Wandmalerei und des «gebauten Bildes», wie es belegt wird durch Alfred 
H. Pellegrini, der 1906/1912 in Stuttgart Schüler war, Otto Meyer-Amden 
1907/1912, und Oskar Schlemmer. In Brühlmann, ihrem Vorläufer, ent- 
bindet Hölzel die bisher gehemmte Gestaltungskraft und die Einsicht in 
das in sich selber wirkende Spiel von Linie, Fläche und Farbe als Gefühls- 
ausdruck in gesetzmäßiger Form. 
Entscheidend in den letzten Fragen, die das Leben und die Kunst ihm 
stellten, ist aber für Hans Brühlmann die Freundschaft mit Nina Bind- 
schedler geworden, und ihre Verbindung mit ihm als Gattin. Wie er aus 
dem Pfarrhaus, stammte sie aus dem Ebnater Doktorhaus. Während seiner 
Stuttgarter Akademiezeit war sie Gesangsschülerin am Stuttgarter Konser- 
vatorium. Sie verlobte sich mit ihm im Jahre 1903, um ihm das Leben 
tragen und seine Aufgabe erfüllen zu helfen, nachdem er ihr eröffnet 
hatte, daß auf seinem Gemüt und in seinem Blute die Drohung schwerer 
Krankheit liege, infolge einer Vergiftung durch ein infiziertes Trinkglas. 
In unerschütterlichem Glauben an den Menschen und seine künstlerische 
Mission, verwendet sie ihr Studiengeld, um ihm die Möglichkeit zu 
reinem Schaffen zu wahren. Sie ist sein einziges Modell, da er die ab- 
genutzten und verbildeten Ateliergänger menschlich und künstlerisch 
nicht erträgt. Auf seinen Studienreisen — 1906 wird er von den Freunden 
Schwarzenbach zu einem längeren Aufenthalt in Italien eingeladen, 1908, 
erlauben ihm ein eidgenössisches Stipendium und ein Bildverkauf an 
Theodor Reinhart einen ersten Aufenthalt in Paris, den er im Frühjahr 
1909 wiederholt — begleitet sie ihn nicht, um ihn nicht zu beschweren. 
Sie erlebt mit ihm die Bestürzung und Freude ob dem unerwarteten Auf- 
trag für die Pfullinger Hallen im Jahr 1907 und steht ihm gleich für die 
ersten weiblichen Figuren- und Ideenskizzen, wie weiter bis zum Abschluß 
der beiden Kompositionen 1908. Das materielle Ergebnis des Auftrages 
erlaubt die Heirat. 
1909 folgen Auftrag und Ausführung des Wandbildes an der Erlöser- 
kirche in Stuttgart; im gleichen Jahr noch, als Stiftung des Ehepaares 
Schwarzenbach, der Auftrag für die Ausmalung der Loggia im neuen Zür- 
cher Kunsthaus, das eben aus den Fundamenten sich erhebt. 
Da bricht im Spätherbst 1909 die Krankheit aus, mit körperlicher Läh- 
mung und Trübung des Bewußtseins. Versorgung und Pflege erhält der 
Kranke zunächst in einer Klinik zu Tübingen, dann im Asyl zu Wil, 
unweit der Toggenburger Heimat. Ein Aufenthalt im Schulhaus Dicken 
oberhalb Ebnat, wo er noch 1909 künstlerisch ergiebige Tage bei dem hier 
als Lehrer waltenden Maler und Musiker Albert Edelmann verbracht 
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