Und immer begleitete sein ganzes Schaffen das Studium
der menschlichen Figur, insonderheit des jugendlichen
männlichen Körpers, abgewandelt in exakter Naturstudie
ebenso wie in letztmöglicher Konsequenz empfindungs-
mässig-abstrakter Gestalt. Seit Dürer wurde dergleichen
in solcher Intensität nicht getan,
Nach fast 17-jährigem Aufenthalt in Amden kehrte
Otto Meyer 1928 nach Zürich zurück, um eine Lehrer-
stelle an der Kunstgewerbeschule anzunehmen. In Zürich
entstehen, zwischen immerwährender Abwandlung der
Hauptthemen, neue „Reihen“, so die sogen. „Rosareihe“
(259—272) und die Reihe der „Strassenszenen“ (273—278).
Die „Tagebuchblätter“ erleben eine neue Form in Aqua-
rell, zumeist Sterntiemen mit Konturen menschlicher
Figur. Diese lagen dem Künstler stets besonders am
Herzen und offenbaren vielleicht sein Geheimstes. — Es
entstehen die „Schweizerlandschaft“ im Auftrag der
Schweiz. Eidgenossenschaft, eine Erinnerung an das land-
schaftliche Gegenüber in Amden, dann ein Sonnenaufgang
am Zürichsee, Landschaft und Haus in Laupen (295—301).
Dann Akte im Atelier und Porträts, in Aquarell, im For-
mat sich steigernd und — während die Schatten der un-
heilvollen Krankheit immer mächtiger zu drohen begin-
nen — eine neue Phase: die Reihe der „Federzeichnun-
gen“ (279—292) zum Teil in Verbindung mit Farbstift und
Aquarell. Ein letzter Bildentwurf (293), als grosses Wand-
bild gedacht, mit neuen, schönen Möglichkeiten der Ver-
stofflichung, im Thema neu: Ballspiel zweier Knaben,
Kegelbahn, Brunnen, Bauplatz, Sonnenball . . . es ist, als
ob im siechen Körper die gestaltende Hand und der dich-
tende Geist immer freier würden und ein pantheistisches
Allgefühl Griechenmythe und Christogenie überwand.
Am 15. Januar 1933, an einem Sonntag, schloss Otto
Meyer für immer die Augen.
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