Volltext: Juan Gris - du 2 au 26 avril : Fernand Léger, du 30 avril au 25 mai

Wenn ein Künstler vor uns mit einer umfassenden Sonderausstellung über seine Umgebung her- 
ausgehoben wird, so geht unsere Neugierde nach seinem eigentlichen Wesen, gewissermaßen der La- 
dung, mit der er zur Erfüllung seines Werkes ausgestattet ist, und nach der Sprache, die er wählt um 
sein Inneres zu äußern, dem Kleid, ın dem er vor uns tritt. Beiträge zum Bild der menschlichen und 
künstlerischen Persönlichkeit von Juan Gris liegen von seinen Freunden vor. Eine Auswahl daraus 
bietet das stattliche Buch, zu welchem dank dem Eintreten eines Freundes des Kunsthauses der 
Zürcher Ausstellungskatalog hat erweitert werden können. Zu ergänzen wäre sie allenfalls durch den 
vollständigen Text der Monographie von Daniel Henry und ein Widmungsblatt von Gertrude Stein, 
das in deutscher Übersetzung in den kleinen Ausstellungskatalog der Galerie Flechtheim vom Fe- 
bruar 1930 aufgenommen worden ist. Der kostbarste Beitrag ist der Text der Vorlesung des Künstlers 
vom 15. Mai 1924 in der Pariser Sorbonne über die «Möglichkeiten der Malerei». 
Es ist eine klare, in den Gelenken sicher spielende Entwicklung einer Theorie der Malerei. Gris sieht 
diese technisch als eine Art von «Architecture plate et coloree», das Bild als Schöpfung, die als Ganzes 
den Beziehungen des Künstlers zur Welt der Dinge entspricht und sich aus Formen von bestimmter 
Art und Ausdehnung in Farben von bestimmter Art und Dichte aufbaut, wobei aber nur der Gedanke 
an das Gebilde aus farbigen Formen, das Werk, nicht an ein zu reproduzierendes Ding, für den Künstler 
bestimmend ist und Elemente aus verschiedenen Welten, Erregungen von verschiedener Wesensart, 
nicht zusammengebracht werden dürfen. Die Aufgabe und Möglichkeit der Malerei liegt im Ausdruck 
gewisser Beziehungen des Malers zur Außenwelt, das Bild ist die innige Verschmelzung dieser Bezie- 
hungen untereinander und mit der begrenzten Fläche, die es umschließt. Die eingehend und konsequent 
entwickelte Darstellung hat als Bekenntnis zu Verantwortung und Maß nicht nur ästhetische, sondern 
auch sittliche Geltung, sie ôffnet den Abgrund, der Gris von dem unbändig und maßlos hinstürmenden 
Picasso trennt. 
Das Werk soll zeigen, wie er den abgesteckten Weg geht, und wohin er ihn führt. Es gibt Kunst- 
freunde, die gleiten mit einem Blick über die Bilderwände wie der Wind über das Wasser und haben 
rasch das Urteil und das abschätzende Wort bereit, sie sehen oft nur das Gekräusel, mit dem sie 
selber die Oberfläche trüben und sich den Blick zur Tiefe verschließen. Vor solchen Betrachtern ist 
Gris verloren. Er beginnt als begabter Jünger der neuen Bewegung und sucht während der Jahre 
1910 bis 1915 mit Andern auf die verschiedenen Fragen Antwort, die sie stellt. Dann findet er als 
Mann sich zu Freiheit und Sicherheit der Äußerung in ruhiger Kraft, wie das Bewußtsein der tieferen 
Übereinstimmung mit der eigenen Zeit und Aufgabe sie gewährt. Und vom Beginn des letzten Jahr- 
fünftes an, um 1920, da ıhn die Krankheit bereits streifte, füllt er sein Werk noch dichter und aus 
schließlicher in einer gedämpften Heftigkeit, die an tragische Größe rührt. 
Auch Fernand Leger, sechs Jahre älter als Juan Gris, gibt 1927, im Jahr von dessen Tod, sein 
künstlerisches Bekenntnis, im «Querschnitt» und einem Berliner Katalog von A. Flechtheim. Er führt 
seine Bilder ein als «vertikale Kunst mit einem Minimum von Perspektive und Tiefenwirkung». Wie 
Gris spricht er von der Linearperspektive mit Geringschätzung; auch er stellt der «optischen Stoff- 
abbildung» der italienischen Renaissance das Ziel einer eigengesetzlichen, nur «plastischen», das heißt 
bildenden statt abbildenden Kunst entgegen. Die Kubisten haben für die Überwindung des alles 
beherrschenden «Sujet» gestritten und sind bis zum «abstrakten» Bild gelangt. Léger will aber vor 
diesem Schritt ins Leere wenigstens für das Staffeleibild innehalten, für welches andere Bedingungen 
gelten als für die Wandmalerei, die in ihren direkten Beziehungen zur Architektur auf Gegenständ- 
lichkeit verzichten kann. Er findet die Befreiung vom traditionellen Bild mit Sujet in einem Kult des 
einzelnen Gegenstandes, des «Objekts», des Dinges, das nicht wie bei Gris vom konstruktiven Bild- 
gedanken aufgesogen und ın seiner Substanz verändert, sondern in seiner vollen plastischen Gestalt 
erhalten und herausgestellt wird, und als Individuum, Objekt im Raum, das Bild ausmacht. Leger 
macht das losgeloste Objekt, den bestimmten sichtbaren Gegenstand, zum «Sujet» des Bildes.
	        
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