Volltext: Ausstellung Oskar Kokoschka

Bedeutung eingeräumt wurde — zu großen, in offenen Farben teppich- 
artig dekorierten Flächen. Inzwischen war er aber schon nach neuem aus= 
gezogen. Wie er für das Bildnis als Ausprägung der Persönlichkeit im 
Seelischen sich zuerst die Form geschaffen, dann für das Figuren= und 
Gruppenbild im Gefüge und Gleichgewich} der Farbmassen und Bewegung 
auf der Fläche eine Lösung gefunden hatte, so errang er sich nun den 
Himmel und Raum der Landschaft, Gesicht und Atem der Städte. Der 
grüne Fleck Wiener Bannmeile mit dem Stück Haus und Garten, die ihm 
selber gehören, ist im gleichen Jahre gemalt wie die Schweizer Seeland- 
schaften und zeigt sich doch ganz anders, moderner, «naturalistisch ». 
Sehr diesseitig wirken auch die meisten übrigen Werke aus der langen 
Reihe der Stadt= und Meerbilder von 1924 und 1925. Es sind aber doch 
keine Landschaftsausschnitte, jedes unvergeßlich, wenn man es einmal ge= 
sehen hat, nicht wegen irgend eines farbigen Reizes, deren sie viele besitzen, 
sondern als Bild, als offenes Antlitz einer Stadt, eines Stück Landes, Die 
vielfach gegliederten und durchbrochenen Häuserfronten und Straßenzüge, 
die Bodenarchitektur der städtischen Plätze und Gärten, der Stachelzaun 
von Masten und Schornsteinen, der einen Strom säumt, zwingen ihn bei= 
nahe, mit dem Pinsel zu zeichnen statt zu malen. Die neuen Farben und 
die neue, in der Masse gelockerte, im Umriß gedrängtere Handschrift er= 
probt er auch am Bildnis, Adolf Schönberg ist ohne Seitenstück im bis= 
herigen Werk, und die Engländerin, in der Ausstellung wie zum Vergleich 
neben die Amsterdamer Gracht gehängt, zeigt eine merkwürdige Verwandt- 
schaft mit diesem Bild in allen Zeichen, die Form bedeuten, wie in der 
Zusammensetzung der Palette. Sucht er von dieser Vielstufigkeit Beruhi= 
gung im stillen Glanz des Blumenstücks und in der weiten Fläche und den 
fest sich spannenden Brücken der großen Themselandschaften ? 
Die allerletzten Bilder zeigen Kokoschka im Banne stummer, unbe- 
kannter Tiere und wieder von neuen Menschen. Die Farben sind mild, 
verhaltener, mehr Kleid der nun rund und greifbar dargestellten Dinge 
als festlicher Schmuck der Fläche. Der Künstler zählt heute 41 Jahre. Wenn 
sein so reiches Werk bis jetzt nur Unterbau und Vorbereitung ist, jetzt 
erst die Reifezeit beginnt, was wird er uns von einem Tag zum andern 
noch bescheren? 
W. WARTMANN 
VE
	        
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