Volltext: Ausstellung Lovis Corinth

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geführten, aber eher als Gemälde gedachten «Tragikomödien», 
oder wie die meisten «Radierungen» von Klinger. Ein Übergang 
ist vielleicht das «Bacchanale». Hier erscheint die Radierung 
noch irgendwie als Verkleinerung von dimensional größeren 
Figuren, man denkt noch an eine Malfläche, an ein Bild, auf das 
das Blatt nur hinweist. «Gebirgsbach» und «Bullstier» hingegen 
haben in der Radierung ihre Lebensgröße, man muß es schon von 
anderer Seite wissen, daß diese Dinge auch gemalt vorhanden 
sind. 
Die Bachlandschaft wie der Stier im Stall erscheinen nicht 
als nachgemalt und nachgezeichnet, eher wie frische Natur 
aufnahmen. Aber diese Natur ist in einer neuen Bildmäßigkeit 
beruhigt und geordnet. Nicht mehr wird der «leere» weiße Grund 
mit Schwärze zugedeckt, damit, wie im Gemälde, die Fläche 
sich schließe, noch steht auf ihm als bloße Notiz die schwarze 
Zeichnung, als Schrift, die für sich allein Bedeutung hat: Strich 
und Grund werden aneinander lebendig und eins. Nach beiden 
Seiten, gegenüber dem Maler und dessen Formvorstellung wie 
gegenüber der direkten Gegenständlichkeit der Natur, entwächst 
der Radierer Corinth der Abhängigkeit. Am leichtesten überzeugt 
vielleicht die schöne Gruppe der Blätter mit neueren Akten. Wenn 
auch die Figuren auf fast völlig weißem Papier stehen, so schaffen 
und füllen sie doch einzig durch die Art, wie sie ihr kleines Vier 
eck teilen, stets ein Bild. Dazu kommt erst der Glanz der Linie, 
die Macht des Umrisses, dazu die Größe der Gebärde, dazu der 
menschlich-gefühlsmäßige Inhalt; hier meist ein Gegensatz von 
streng und weich; so beim schreienden Freier mit seinem gefällten 
Genossen, beim zornigen Theseus über der hingesunkenen Ariadne, 
beim breitgliedrigen Jüngling mit dem schmeichelnden Mädchen 
in der «Versöhnung». Der Bogenschütze, die Freier, Theseus 
und wohl auch andere dieser heroischen Gestalten und Gruppen 
sind aus figurenreichen Gemälden herausgenommen, aber in der 
Radierung wird stets der Teil ein neues Ganzes. 
Zweimal in der Spanne eines Jahres, in «Faun und Nymphe» 
und «Umarmung», erscheint ein sich herzendes Paar, zwei aufrecht 
nebeneinander stehende Figuren, Mann und Weib; in «Faun und 
Nymphe» mehr spielerisch und zugespitzt, in ein sehr hohes Vier 
eck eingeschrieben; in der «Umarmung» ist die Gebärde größer,
	        
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