Volltext: Ausstellung Lovis Corinth

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im Geben und Nehmen, das Blatt breiter, die Farbe satter, die 
Teilung ruhiger. 
Diese Schrift ist ihm noch nicht beredt genug. Noch tiefer 
gräbt und kratzt die Nadel Köpfe und Gesichter, Umrisse und 
dunkle Schatten in das Kupfer, und es gelingt ihr, den Trotz des 
Florian Geyer wie eine Flamme aufzucken zu lassen und den 
heiligen Drachentöter eben so siegreich und mutig vor das weiße 
Papier zu stellen, wie er als Held auf seinen starken Beinen steht. 
Die Radierung des weiblichen Halbaktes mit dem großen Hut ist 
kecker als das Modell je gewesen sein mag. Im Selbstbildnis 
mit dem Tod drohen sogar die einfachen griechischen Buchstaben 
nicht weniger als der glotzende Totenkopf und das schlotternde 
Gerippe. In ähnlicher innerer Spannung lebt das sonderbar nie 
dere Blatt mit dem geduckt schreibenden Götz, wenn auch 
kaum zu erkennen ist, wo an dem schwarzen Kopf Gesicht und 
Nase sitzen. Das Stilleben eines alten Mannes mit scharfem 
Vogelkopf in einem Innenraum erhält dramatische Energie. Der 
«Kronleuchter» schwebt groß und dunkel über der Feere, das 
am Tisch sitzende Kind wird von seinem Gewicht ausgelöscht. 
Die eben genannten Arbeiten sind alle im Jahr 1916 ent 
standen. Was in der Ausstellung aus 1917 und 1918 erscheint, 
kann kaum anders wirken denn als spannende Vorbereitung auf 
die ganz reifen, zusammenfassenden Folgen von 1919. Da ist der 
Reigen am Strand; eine Großstadtfamilie im Sonnenbad, alles 
andere als graziös; aber ein wohlgebautes, in seiner Ungeschminkt- 
heit stark und gesund wirkendes Blatt. Dann ein zweites Strand 
bild, ein Frauenraub: Der urzeitlich klotzige, schwarze Gaul 
steht im Wasser, ein Mann beugt sich herab, um die weiße Beute 
zu fassen, ein zweiter reicht sie hinauf; das Ganze mehr Masse, 
Farbe und Bewegung als Umriß und plastische Form. Strömendes 
Ficht und freie, weite Fuft sind Inhalt der kleinen Blätter «Unter 
dem Weihnachtsbaum» und «Windmühle». Die «Großmutter mit 
Enkelkindern» ist in ihrer Art ein zweites Beispiel unsentimentaler 
Menschendarstellung wie die «Tanzenden» und so reich an geistig 
seelischer Anregung wie formal interessant. 
Was an künstlerischer Einsicht und Erfindung über Jahre 
hinweg auf eine sehr große Zahl von Arbeiten sich verteilt, sammelt 
sich schließlich in den «Antiken Fegenden» und in den «Co- 
rinthern».
	        
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