Volltext: Ausstellung Lovis Corinth

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gleichzeitig; freilich, in Stenographie. Die «Vision» ist ganz nur 
seine Erfindung. Als Mitte hat das sehr große Blatt ein Weib, 
im Schutze eines schweren Kriegers gelagert, der aber, in der Ruhe 
sicheren Besitzes, ihr den Rücken zukehrt. Ein bewegter Zug 
von Männern, Frauen, Reitern wallt ihm entgegen. Den betrachtet 
er, indes die läßig hingestreckte Frau von Tieren und Teufeln 
belagert und umschlichen wird. 
Von diesem spukhaften, in Anlage und Handschrift gleich 
selbstherrlichen Blatt bedeutet die Hinwendung zu der ja auch 
einige Jahre älteren Folge «Bei denCorinthern» eine Rückkehr auf 
ruhigeres, gefestigtes Gebiet und zur Idylle. Oft breitet sich auf 
diesen großen, lichten Blättern nur eine einzige Figur über die 
ganze Fläche. So die ruhende Gattin im Eiegebett oder der Sohn 
als Bauernbursche auf der Ruderbank. Das «Studienblatt mit 
den Kindern» ist sparsamer in den Mitteln und größer in der 
Wirkung als das «Blatt mit Selbstbildnis und Köpfen» von 1914, 
an das es erinnern könnte; sehr straff das «Atelier» mit der Doppel 
gestalt von Künstler und Modell in wirkungsvollem Parallelismus 
und strengem Einklang zu Raumausschnitt und Bildviereck. 
Die geradlinig gedrängten Schraffen sind eben so sachlich kühl; 
der Ausdruck der beiden Menschen ist nicht einladender; man 
arbeitet, Störung wäre peinlich. 
Von den Bildnisradierungen ist der Graf Keyserling, 
die Transkription des Gemäldes von 1900, im Jahre 1919 wohl 
eben so sehr aus der lebendigen Erinnerung an die Art des Menschen 
heraus als nach der gemalten Vorlage geschaffen worden; diese 
zusammenschrumpfende, wie vom Wind verblasene Gestalt, 
läßt der Künstler eben am äußersten Rand des Blattes sich noch 
anklammern. Den andern Dichter, Richard Dehmel, setzt er 
mit Kraft geladen mitten vor uns hin, voll von einer Spannung, 
die das breite Viereck zu sprengen droht. 
Die Treue dieser abgekürzten, das heißt auf Wesentliches 
verdichteten, Bildnisse geht sicher tiefer als nur auf die äußere 
Erscheinung. Man mag es glauben vor dem scharf gefaßten Kopf des 
Kunstkritikers Kuhn, und sieht einen Großstadtmenschen mit 
autoritärem, rasch fertigem Urteil; und wissen vor dem Bild der 
Alice Berend, deren grotesk-ironische, in einen Grund von Resig 
nation gewobene Geschichten wohl von diesen Augen gesehen,
	        
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